„Und dein Urteil über ihr Ansinnen lautet?“ „Das Lied dieses Lanon… es klingt so… offen. Wenn sein Lied das Maß der Menschen dieser Zeit ist, dann können wir wohl beginnen, sie auf der gleichen geistigen Ebene zu sehen. Ist er jedoch eine Ausnahme, wäre es ein großer Fehler, ihnen zu helfen. Und dennoch… Wäre es nicht wunderbar, wenn wir hoffen könnten? Wenn wir ihnen helfen, könnte das der Beginn einer Ära des Friedens sein.“ „Oder der Beginn von erneutem Verrat. Ich verstehe, wie du darüber denkst. Auch ich und die anderen der Höchsten unserer Zunft haben gelauscht und kommen zum selben Urteil.“ An’se’ko und An’ja’li waren sich über Lanon einig, nicht jedoch über das Ansinnen seines Herrn. Lange wogen sie das Für und Wider ab, kamen jedoch nicht zu einem endgültigen Entschluss. Schließlich meinte An’se’ko: „Wir werden mit ihnen gehen und dem Liede Aldans lauschen. Sagt es uns zu, geben wir ihm, was er will.“ „Und verlangen etwas dafür.“ „Natürlich. Nur Freunden gibt man ein Geschenk.“ „Und unsere Freunde müssen diese Wasserdiebe erst noch werden.“ Beide Frauen sahen sich lächelnd an. Ein wenig Freude würde es ihnen schon bereiten, diese einfältigen Wesen auf die Probe zu stellen. – Wenn denn dieser König die erste Prüfung überhaupt bestehen würde.
Wieder nähert sich eine verhüllte Gestalt unseren Käfigen. Ist es jene von heute Morgen? Ich vermag es nicht zu sagen. Das Abendrot des Himmels verwandelt unsere Umgebung in ein Gemälde. Alles scheint so unwirklich und endlos. Seltsam. Ich fühle plötzlich eine angenehme Leere in mir. Die Wilde ist nun vor mir angelangt und augenblicklich werden wir freigelassen. Sie sagt nur wenige Worte. „Ihr werdet uns morgen verlassen. Und wir reisen mit euch.“ Und verlässt uns wieder. Keine Erklärung des „wir“. Keine Antwort auf das Gesuch Aldans. Unhöflichkeit scheint hier wohl üblich zu sein.
Die äußerst schweigsamen Wachen geleiten uns zu einem leeren Zelt und beziehen davor ihre neuen Posten. Offensichtlich die uns zugedachte Schlafstatt. Nach der anfänglichen Behandlung, die uns zuteil wurde, erscheint mir und meinen Begleitern die ganze Angelegenheit etwas zu einfach vonstatten gegangen zu sein – auch wenn wir nicht wirklich etwas erreicht haben. Noch nicht. Wir wissen es eigentlich nicht. Dennoch: In unserer Heimatstadt sind ein paar Wilde, die uns begleiten, nun wirklich keine Bedrohung. Höchstens ein exotischer Anblick mit ihrer lavendelfarbenen Haut und den gleichfarbigen Gewändern…
Unsere kleine Reisegesellschaft erwacht gleichzeitig. Wir fühlen uns alle seltsam frisch und erholt, fast fröhlich, so scheint mir. „Elende Hexerei!“, flucht einer und spricht unsere Gedanken aus. Im selben Moment betreten eben jene Hexen unser Zelt, zwei an ihrer Zahl. Sie nehmen ihre Kapuzen ab und mustern uns, scheinbar abwägend, was und ob sie uns überhaupt etwas sagen sollen. „Dies ist An’se’ko, ich werde An’ja’li genannt. Macht euch reisefertig. Wir sind es bereits.“, verkündet eine von ihnen. Ich erkenne ihre Stimme. Dieses Mal klingt sie anders… so… fern… Als wäre sie hier und doch wieder nicht. Schnell werfe ich diesen Eindruck fort, wie ein verschlissenes Wams. „Ihr habt es gehört. Es geht nach Hause!“ Jubelrufe wollen sich bei dieser meiner Verkündung nicht einstellen, aber was will man von Soldaten anderes erwarten? Die Heimreise bedeutet Entbehrung und Gefahren. Sind wir zu Hause, versehe ich wieder den Dienst eines Leibdieners. Meine Begleiter jedoch werden entweder an die Reichsgrenzen, in zwieträchtige Städte oder gar Dörfer beordert, um Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten. Ein schweres Los. Für wahr, ich schätze mich glücklich, dass Gorlon mir ein leichteres zuteil werden ließ.