Blutgesang Kapitel 1 - Begegnungen

Kapitel 1 - Begegnungen

 Heute ist ein wichtiger Tag, denn eine lange Reise geht zu Ende. Schon von weitem kann ich die Oase der Dalrin ausmachen. – Inmitten einer Wüste ist sie auch kaum zu übersehen. Wir werden sie wohl noch im Laufe des Tages erreichen. Die Frage ist nur, ob wir empfangen werden – und vor allem wie dies geschehen wird. Diese Wilden befinden sich ständig im Krieg mit den hiesigen Nomaden, Verbrechern und anderem Gesocks, das in der Wüste lebt. Und unser Führer ist einer von ihnen… Ich werde ihn jetzt wegschicken und hoffen, dass er morgen wie vereinbart auf uns warten wird. Auch ohne ihn kann es meine kleine Reisegruppe das Leben kosten, auch nur in die Nähe des Lagers zu reiten. Doch unsere Pferde sind ebenso durstig wie ihre Reiter. Unsere Vorräte gehen zur Neige und in der Oase befindet sich die einzige Wasserquelle im Umkreis unendlich vieler tausender Schritte. Sei es drum. Ich muss tun, wozu mich mein Herr, unser aller König, ausgesandt hat. Unser aller Überleben könnte davon abhängen.

 Endlich sind wir da. Ein wahres Paradies breitet sich vor uns aus. Wenn man direkt davor steht, scheint die Oase endlos zu sein und die Zelte zahllos. Die Sonne schickt sich schon an, unterzugehen. Mich beschleicht ein ungutes Gefühl. Es ist ein schlechtes Omen, wenn man eine Bitte am Ende eines Tages äußert. Und wenn man noch dazu von einer wilden Frau begrüßt wird.

 „Halt! Keinen Schritt weiter! Erklärt Euch oder Ihr werdet auf der Stelle sterben!“, begrüßte Tan’ta’ri die Ankömmlinge. Die Menschen wurden auch immer dreister. Hoch zu Pferde kamen sie an und glaubten auch noch, dass ihnen Gastfreundschaft zu Teil wurde, nur weil sie durstig waren. Von mir aus kann dieses räuberische Volk in der Sonne vertrocknen, dachte sie mürrisch. Ein langer heißer Tag ging zu Ende und sie sehnte sich schon nach den Stunden der Ruhe. Aber nein, kurz vor Wachwechsel musste diese kleine Menschengruppe auftauchen – welche glücklicherweise zu klein war für einen Angriff…

 „Mein Name ist Lanon. Ich bin ein Gesandter König Aldans, der das Reich Gorlons regiert. Dies sind meine Gefährten. Wir kommen von weit her in einer Sache von höchster Dringlichkeit. Gewährt uns Einlass, Weib!“ Ungeheuerlich, dass ich genötigt werde, eine Frau um etwas zu bitten. Noch ungeheuerlicher ist, dass sie Hosen trägt. „Eine Sache von höchster Dringlichkeit, hm? Höchstens für Eure Pferde, die mehr wert sind, als die gesamte Menschheit! Die lügen und stehlen wenigstens nicht. Ihr werdet unsere Oase nicht betreten. Verschwindet oder tragt die Konsequenzen!“ Ratlos sehe ich in die Gesichter meiner Begleiter, die genauso ratlos sind wie ich. Mit dieser Reaktion haben wir nicht gerechnet. Jeder weiß doch, wer Gorlon ist… Andererseits: Was will man von Wilden auch anderes erwarten? Angestrengt denke ich nach, wie ich dieses einfältige Weib dazu bringen kann, uns einzulassen.

 „Hört mich an! König Aldan ist ein gerechter und gütiger König. Er achtet jeden Menschen, gleich ob Bediensteter oder Adliger. Er hat ein Reich des Friedens und Wohlstands geschaffen.“ „Dann hat er ja seine Zeit gut genutzt – für einen Menschen. Nur sehe ich noch immer keinen Grund, der Eure Anwesenheit rechtfertigen würde. TANTIR!“ Wie aus dem Nichts erscheinen dutzende lavendelfarbene Gestalten vor uns, welche dieselbe Tracht tragen wie die Frau. Im Nu haben sie uns umzingelt. Obwohl sie keine Waffen bei sich tragen, wird mir angst und bange. Ich bin nur ein Leibdiener, kein Soldat. Mein König vertraut mir. Ich muss Erfolg haben. Unter den gegebenen Umständen dürfte das allerdings schwierig werden.

 Sie haben uns die Pferde weggenommen und in überraschend stabile Käfige gesperrt. Keiner von ihnen scheint meinen Beteuerungen zuzuhören, dass wir in friedlicher Absicht gekommen sind. Im Morgengrauen wird über uns befunden werden, sagt man uns. Jetzt warten wir. An Schlaf ist nicht zu denken.

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