Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah -- --
Vor wenigen Tagen war ein traumhafter Herbsttag, diese Farben, die Sonne, einfach himmlisch! So wunderschön und doch kündet alles von Vergänglichkeit. Ein morbider Charme, der berührt. Als Rentner kann man sich die Zeit meist einteilen und auch mal spontan sein. Im Herbst gibt es im Münsterland so bestimmte Spezialitäten, nach deren heimatlichem Geschmack ich förmlich gierte. Das gibt es hier im Kölner Raum einfach nicht. Die alte Liebe zur angestammten Heimat ist noch nicht erloschen, die Erinnerung an viele gute Sachen auch nicht. Wir entschlossen uns spontan, dorthin eine Fahrt zu machen. Zunächst war alles gut, wir kamen gut voran auf der Autobahn. In Richtung Wuppertal wurde es auf einmal kritisch, aber auf der Gegenseite! Ein schier endloser Stau, Baustellen, die armen Fahrer, die da in der Schlange hingen. In den Gesichtern war die Anspannung zu lesen. Wir beschlossen, den Rückweg anders zu wählen.
Als wir die Autobahn verließen, dauerte es nicht lange, bis wir unser Spezialitätengeschäft, gefunden hatten, wo nach alter Tradition noch die gewünschten Dinge hergestellt werden und entsprechend besser schmecken, als aus einem dortigen Supermarkt. Wir schlugen zu, kauften ein und waren zufrieden. Der Laden bot auch einen Mittagstisch zum Mitnehmen an. Herz wat willste mehr?
Guter Dinge ging es weiter, es ging über die Dörfer, viele vertraute Orte haben wir nicht mehr durchfahren, weil inzwischen Umgehungsstraßen sie umrundeten, gut für die Dörfer. Uns wurden vertraute Erinnerungen geklaut. Wir genossen also mehr die Landschaft. Wir erreichten meine Heimatstadt, die sich auch stark verändert hat, mir kommt ein alter Spruch in den Sinn:
Wer will, dass die Welt so bleibt wie es ist, will nicht, dass sie bleibt.
Man kennt niemanden mehr, wenn mal schon mehr als 60 Jahre dort nicht mehr wohnt. Wir besuchten die Gräber unserer Angehörigen, denn die Totenfeiertage nahen. Alles war ordentlich hergerichtet, wir legten ein Gebinde auf die Gräber, hielten inne, erinnerten uns, schauten uns um. Überall wurde gewerkelt und geordnet und Blumen hingetragen, Unrat entfernt.
An diesen Tagen finden immer große Besucherströme dort statt, da sollte es gut aussehen, nicht so, als wären die Toten vergessen, vernachlässigt. Es ist eben unsere Kultur, der Verblichenen zu gedenken, so waren schon viele Besucher dort und pflegten die Gräber ihrer Angehörigen. Eine Gelegenheit, vielleicht doch noch mal einen bekannten Menschen zu treffen? Pustekuchen! Wir waren Fremde unter Fremden.
Weiter ging es ins Emsland zu einer lieben Freundin, die dort an abgelegenem Ort ein kleines Tierheim betreibt, die immer wieder Tiere aus Notfällen aufnimmt, alte, kranke, schlecht gehaltene und erzogene Tiere so betreut, dass sie möglichst vermittlungsfähig werden.
Fas wären wir schwach geworden und hätten aus einem kleinen Rudel eine zehnjährige süße Hündin mitgenommen. Alle Hunde waren kinder-katzenfreundlich. Unser Verstand hat gesiegt, so eine Hündin kann noch 15 Jahre alt werden, wir sind 80 Jahre und körperlich angeschlagen, wir könnten dem Tierchen auf Dauer nicht gerecht werden.
Wir wünschen so sehr, dass sie bei jüngeren Menschen bald ein gutes dauerhaftes Heim finden. Nach einem kleinen Plausch und einem guten Kaffee ging es an die Rückreise, wir wählten eine Autobahnauffahrt, die wir leider unterschätzt hatten, sie war doch weiter entfernt, als die, die wir normalerweise wählen.
Zunächst ging es alles zügig voran, wir freuten uns am schönen Wetter, dem wunderschönen Herbsttag und dann ging es los:
Staus ohne Ende, die eine hohe Konzentration beim Fahren nötig machten. Als wir endlich nach vielen Stunden die Leverkusener Brücke erreicht hatten, wollten wir dem nicht enden wollenden Stau ausweichen, über eine vertraute Strecke über die Dörfer nahe unserem Heimatort fahren. Die Abfahrt hatten wir genommen und dann hatte sich alles so verändert, dass wir es nicht wiedererkannten, versehentlich einen großen Umweg fahren mussten.Wir sind unbeschadet angekommen, aber haben die unglaubliche Anstrengung gespürt, die es meinen Mann als Fahrer gekostet hat. Ich denke, es war das letzte Mal, dass wir an einem Tag ca. 500 km mit kleinen Pausen gefahren sind.Ich behalte den Herbsttag, die leckeren Sachen meiner Heimat, die uns hier noch viel Genuss machen, das vertraute Bild der wunderschönen Landschaft, der Straßen und Häuser in Erinnerung und verabschiede mich davon in großer Dankbarkeit, auch dass wir heil zurück gekommen sind mit der Einsicht:
Dat is so nix mehr für olle Lüde!
© Karin Oehl
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