Margit Farwig

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»So wenig wie Geburt und Tod und alles, was dazwischen liegt, Routine werden können, so wenig kann es die Kunst. Freilich gibt es Menschen, die ihr Leben routiniert leben; nur: sie leben nicht mehr. Es gibt Künstler, Meister, die zu bloßen Routiniers geworden sind, aber sie haben - ohne es sich und den anderen einzugestehen - aufgehört, Künstler zu sein«, heißt es bei Heinrich Böll.

Eine bei der das Schreiben nie zur Routine wurde, ist Margit Farwig. Ihre beeindruckende, mutige Vielfalt an Formen und lyrischen Spielarten ist inspiriert ,von den kleinen Realien des Lebens und zeigt durch immer neue Varianten von Form und Sprache, wie daraus zugleich die große Welt der Poesie erwächst.

Sie möchten mehr über die literarische Biographie Magret Farwigs erfahren? Dann lade ich sie dazu ein, mit mir gemeinsam ihren Spuren zu folgen.

 
   Margit Farwig

Margit Farwig, geboren in Schlesien, wohnhaft in Schüttorf, schreibt Lyrik und Prosa. Von ihr gibt es zahlreiche Veröffentlichungen in verschiedenen Anthologien und Zeitungen. Margit Farwig ist sehr engagiert auch mit der Teilnahme an Kulturprojekten des Kreises Steinfurt. 

 
Hier ein kleiner Auszug ihres literarischen Schaffens


SENFTÖPFCHEN-Theater Köln (Altstadt), 18. April 2005


"Ein Abend über eine der interessanten Lyrikerinnen des 20. Jahrhunderts, vielleicht die interessanteste... Else Lasker-Schüler führte ein phantastisches wie kreatives Leben. Sie erschuf sich Ihre eigenen märchenhaften Mythen und verstand es, die Grenze zwischen Dichtung und Leben durchlässig werden zu lassen. Waltraud Weiß ist Autorin, Verlegerin und Mitgründerin der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft. Sie sagt, Else sei ihre Großmutter. Warum, erzählt sie an diesem Abend, literarisch begleitet von weiteren 'Töchtern, Enkelinnen, Urenkelinnen'... von Margit Farwig, Barbara Lorenz, Maria Köchling-Graafen und musikalisch bereichert durch Ralph Borchardt, Christiane Borchardt und Simon Boos. Man nannte Lasker-Schüler, die deutsche Sappho' und, den Schwarzen Schwan Israels'. Es gilt, eine Schriftstellerin zu entdecken, die heute selbst zur Muse deutscher Dichter geworden ist. Die Lesung wird abgerundet durch eine Ausstellung: Margarete Wohlfarth präsentiert Bilder zum Schriftwechsel zwischen Else Lasker-Schüler und Franz Marc." - Alles zu Else Lasker-Schüler: Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft.


Die Mitwirkenden: Waltraud Weiß, Autorin und Verlegerin, Gründungsmitglied der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft e.V. / Die Autorinnen Margit Farwig * Maria Köchling-Graafen * Barbara BaLo* Lorenz / Einführung: Hajo Jahn (Vorsitzender der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft) / Musik: Ralph Borchardt (Piano), Christiane Borchardt (Gesang) und Simon Boos (Klarinette) / Vernissage: Margarete Wohlfahrt, "Gedanken-Bilder"

Elses Töchter und Enkelinnen

sind das "Ensemble Else", das mit dem Programm "Elses Töchter" in Wort und Musik bereits in vielen Theatern aufgetreten ist, wie zum Beispiel im Rex Theater Wuppertal, Senftöpfchen-Theater Köln und an vielen weiteren Orten.


 Zeit

ich habe die Zeit verschlafen
als Augustäpfel
ungepflückt ins Gras fielen
und zu Spielbällen wurden
von Wurm zu Wurm
auch als Rauchfahnen
von nutzlosen Ästen
flammende Zeichen                                      
in den Wind setzten
eine Krähe der anderen
die gierig funkelnden Augen aushackte
schlief ich weiter und träumte
als Augustäpfel                   
ungepflückt ins Gras fielen
 Trennlinie 15                                                                                                
 © Margit Farwig
 
Für dieses Gedicht erhielt sie eine Urkunde von der Dichtergilde in Bretten.

 Birgit Medele
Leben statt kleben!
Loslassen, Ballast abwerfen und die Leichtigkeit des Seins wiederentdecken

Für dieses Buch hat Margit Farwig folgende Rezession verfasst:
..................................................................................
Margit Farwig – 24. März 2020
 
Ich habe mich eingelassen, mich Fragen ausgesetzt, die ich lange kenne. Da muss ich wohl auch vom bequemem Polster herunter, Ursachenforschung betreiben. Ich steuere direkt auf die „Meisterklasse der Lebenskünste“ zu. Abwarten! Dazu spanne ich eine Leine, um nicht zu flüchten. Hier steht doch „was mir gut tut“, na bitte! Der mitschwingende Witz ist unüberlesbar, zieht mich mit. Ich cluttere dann mal, meine Hände buddeln noch etwas zaghaft, haben aber schon einige Zipfel erwischt, bin also wichtig, ja! Zuversicht wächst! Es ist erstaunlich, mit wieviel Witz und Wortakrobatik ein Mensch hier lästige Gewohnheiten auf den Müll befördert. „Nichts bleibt wie es ist.“ Dann kann ich es ändern wie ich es will, weil ich jetzt die Kraft besitze. „Garantien auf Ewigkeiten gibt’s nicht.“ Wie wahr. Mit dieser Einsicht gewinnen wir Freiheiten, die wir nie beobachtet haben. Seltsam, war ich so stumpf? Ich möchte nicht mehr oder weniger Gutmensch sein, will ich etwa dafür geliebt werden? Werde ich geliebt ohne das Gedöns des Guten. Probiere es aus. Bin doch ein Mensch wie jeder andere auch. Ach, sie hilft nicht mehr, müssen sie sich einen willigen Neuzugang suchen. Ich atme auf. Aber meinen Schreibtisch spicke ich weiter mit einer Unzahl von Zetteln, Notizen, sie sind mir wichtig. Ich lasse die Angst nicht mehr zu, alles Schlechte auf mich zu beziehen, wenn etwas überkommt, was mich überhaupt nicht meint, ich Angsthase! Unser Gehirn weiß nichts von unserer Angst, den Plänen, es ist unser „Kostgänger“, nimmt alles an und wenn es das nicht mehr bekommt, spuckt es uns mitten ins Gesicht ohne rot zu werden. Siehste, jetzt muss ich handeln. Z. B. weniger essen, wenn ich eigentlich genug hätte. Ja, da fange ich an und glotze dem Hirn in seine Windungen. Autsch! Und die Dias, die Herzenskammer mit Rähmchen in lauter Kästen mit Sitzordnung. Ich habe sogar ein Gerät gekauft, 2-in-1 Scanner für Dias und Negative. Habe es geschafft, einige Fotos! Nun liegt es rum. Aber stolz bin ich trotzdem, man gönnt sich ja sonst nichts. Alle Dias sind entsorgt. Die Kinder haben schließlich eigene Fotos! Jetzt schreibe ich wieder mit meiner eigenen Hand und sehe, wie schön ich doch schreibe. Applaus. Und überhaupt, jetzt ist es raus, ich finde mich unglaublich toll! Jawolll!

 Brief an Else Lasker-Schüler

Auf Siebensternenschuhen - Erste Performerin: Else Lasker-Schüler vor 150 Jahren geboren:
 
 
Ich folge Deinen Spuren,
neugierig und gewogen
als einer Feder Leichtgewicht
und kratz den Rest
an Goldstaub von den Sternen,
den Deine Hand gestreut, verwischt.
Die blaugestrich’ne Seligkeit
deut’ ich als roter Rosen Signatur
und hoffe gern an Lieb’ zu spüren,
die Deiner Liebe ähnlich nur.
Es grünen zarte Wehen
aus Deinem Sehnsuchtsschrein,
vermählen Mond und Sterne
und alles Engelssein.
Herüber ziehen Klänge
entfacht vom Augenglanz
am Rund des Erdenballes
durch Deinen Schleiertanz.
Hier bist Du aufzufinden,
wo Lust und Lieb vereint,
Friedensfahnen schwingend
ins Ewige gereimt.
 
© Margit Farwig 2000

 Glosse

Warum tue ich mir das an. Schreiben. Das Blatt ist so leer, wie ein leeres Blatt nur sein kann, weiß. Der Kopf, ein erloschener Vulkan. Endlose Trecks vergilbter Nullgedanken schleppen sich durch verengte Windungen.Vor Tagen war mir etwas eingefallen. Vergessen! Was war das nur? Stoff für eine Geschichte oder ein Gedicht? Oder eine von vielen Begebenheiten, die es wert gewesen wäre, für die Menschheit mit dem Stift auf ewig festgehalten zu werden, einer Geschichte ein unverwechselbares Gesicht zu verleihen, damit hungrige Leser ein wundervolles Profil entdecken, sich etwa selbst oder nur Ähnlichkeiten an gewissen Linien erkennen? Eine schöpferische Leistung, die sich einbrennt in die Erinnerung von Generationen.Schon lange kriechen Gedankenwürmer durch graue Zellen, sie wollen ein Hörspiel entwerfen.Ich stelle mir vor, wie die Einfälle nur so heraussprudeln. Aber, wann fangen sie endlich damit an? Ganz einfach wäre es, die Eskapaden von noch lebenden Personen mal eben zu Papier zu bringen mit dem Zusatz: Die Handlungen und Personen sind frei erfunden.Das tägliche Leben erweist sich als wahre Fundgrube für makabere, deftige, herz-schmerzliche Hörspielmanuskripte, die nur darauf werden, zu akustischen Leckerbissen aufbereitet zu werden.Hier noch eine kleine Übertreibung, da noch ein bisschen mehr Pfeffer und dort „Butter bei die Fische“. Aus flauen Nicht-Fisch- und Nicht-Fleisch-Episoden ließe sich ein literarisches Feuerwerk zünden, wenn der Funke überspringen würde. Ach ja, das wär’s.Der alte Mann aus dem ersten Stock in der Küblerstraße, der immer so traurig aus dem offenen Fenster schaut, ich wette, der wüsste ein Szenario aufzubauen, wenn er nur gefragt würde. Er schließt abends enttäuscht sein Fenster. An seiner Stirn zeugen tiefe Falten von lebenslanger Missachtung seiner Person, ein ins Abseits Gestellter.Die korpulente Frau zwei Schritte rechts von mir. Warum hat sie sich die Speckseiten angegessen? Sie trägt das Zeichen des immer und immer wieder verlassenen Geschöpfes: die roten Äderchen durchweinter Nächte in ihrem Augenweiß. Augen, die allzu lange vergeblich versucht haben, sich mit Augen zu paaren, keine Zuversicht mehr ausstrahlen können und auch nichts mehr erwarten.Warum sagt ihr niemand, wie schön es ist, sich auf sich selbst zu verlassen? Dass jeder für sich da ist, in erster Linie für sich. „Weil ich es mir wert bin“, versichert uns ganz deutlich die Werbung im Fernsehen. Tag für Tag hören wir diesen Satz. Er schleicht sich ins Bewusstsein, macht bewusst.Ja, warum eigentlich nicht: weil ich es mir wert bin! Nicht nur wegen der Farbe, die ich mir doch ins Haar einwaschen möchte, um attraktiver auszusehen, nein, grundsätzlich bin ich es mir immer und überall wert. Das ist der Schlüssel zum Ich.„Habe ich heute schon gelächelt?“ Mit der Frage überrasche ich mich täglich. „Dann tu es doch!“ Ja, und dann lächle ich. Meine Mundwinkel ziehen in Richtung Ohren, die Lippen öffnen sich, ich zeige Zähne, hole tief Luft, ich entspanne mich und das Lächeln greift um sich, klettert hinauf in Augenhöhe, entlockt seiner Umgebung Lachfältchen. Der Tag wird schön, ich weiß es.Meine Antennen tasten unermüdlich Terrain ab, peilen Talente an, wittern, wann sie auf Empfang gehen können, speichern die Frequenzen. Sie gehen nicht mehr verloren. Ich kann sie jederzeit abrufen.Wie kommt es nur, ein Phänomen, dass erwachsene Menschen jeden Alters plötzlich erwarten, dass man sich um sie kümmert, ihnen Entscheidungen abnimmt, für ihre Unterhaltung sorgt? Ich stecke meine Nase buchstäblich in meine eigenen Angelegenheiten. Aus mir lässt sich noch mehr herausholen. Wer könnte das besser als ich?All das würde ich gern der Frau neben mir zurufen.Sie ist fort.Nun fällt sie mir wieder ein, die Geschichte. Ich habe keine Zeit mehr.Leben Sie wohl!

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© Margit Farwig


Kurzgeschichten von Margit Farwig:

Gelesen mit Frau Weiß im letzten Theater von Trude Herr, eine Treppe hoch, 22 Sitzplätze, wir 4 lasen. Bei meiner Geschichte meinte eine ältere Dame, ich habe bei Ihrem Test geweint...

70 Jahre Bücherverbrennung

 Dies schreibt Bertolt Brecht, in „Besuch bei den verbannten Dichtern“:

„Das sind die Vergessenen“, sagte der Dante leise, „Ihnen wurden nicht nur die Körper, auch die Werke vernichtet.“


                                                                        ***

Sie wurden ihrer Stimmen beraubt, sie können uns nicht mehr sagen, was sie denken, was für Verse, welche Geschichten sie uns noch erzählen würden, welche Weisheiten, Erkenntnisse sie uns noch mitteilen wollten. Sie wussten, wie man Gedanken in Worte kleidet. Sie wussten, wie man diesen Gedanken auf die Spur kommt, sie hervorbringt, wendet, ausleuchtet und sie endlich auf ein weißes Blatt Papier setzt. Für uns, die wir jedes Wort gierig aufsaugen, an den Erkenntnissen teilhaben, sie zu unserem Gedankengut machen, damit wir daraus lernen, nicht immer dieselben Fehler zu machen. Gedankenwahrheit wirft sich nicht in den Ring, kämpft nicht mit unlauteren Mitteln, nein, sie steht mitten unter uns und ist wahr wie das Wort ausdrückt – Gedankenwahrheit. Nicht jeder Kopf, jeder Geist denkt gleichzeitig alle guten Gedanken. Jeder Mensch ist unterschiedlich beschenkt mit Gaben der Erkenntnis, es sind die klugen Geister, die uns in gewisser Weise die Arbeit abnehmen und wir lesen ihre Produkte, profitieren davon. Je mehr der Mensch liest, umso umfassender wird sein Gedankenbild. Er kann sich ein Bild davon machen, wenn er die fremden Gedanken in seine Handlungsweise einbaut und plötzlich merkt, das ist eine gute Sache, jetzt weiß ich weiter oder ich kann mir endlich die Dinge erklären, die für mich undurchschaubar, nebulös erschienen. Viele kleine und große Fortschritte führen in eine neue Welt, in die Befreiung von kleinlichem Gedankengut. Es verlangt im günstigsten Fall nach mehr. So ergeht es mir, wenn ich ein Buch ausgelesen habe und mich urplötzlich in der Wirklichkeit wiederfinde. Egal wie sie aussieht, eine Leere entsteht, die neu gefüllt werden muss und zwar mit meinem eigenen Leben. Es war so schön, in die Rolle eines anderen zu schlüpfen und ganz weit weg zu fliegen. Geht nicht. Ein neues Buch muss her. So hangelt sich der Mensch von Buch zu Buch. Wer einmal von dem Virus befallen ist, kann sein Leben lang nicht mehr aufhören.

Allzu viel Geist zu besitzen, fordert Neid heraus. Jetzt kriechen hässliche Gedankenwürmer durch neidische Gefühlswelten und wenn alle Anzeichen rundherum stimmen, ist das, was geschehen ist nun die Folge. Dann glühen die Drähte heiß und es bestätigt sich, was Maxim Gorki im „Lied vom Sturmvogel“ schrieb: „Es liegt etwas Berauschendes im Kampf.“ Ob der Kampf auf dem Schlachtfeld oder im Kopf tobt, das spielt keine Rolle.

Dann muss ich unbedingt Charles Perrault erwähnen, der in seinem „Märchen vom Prinzen Piquet“ schrieb: „Was Ihr in diesen Märchen seht, ist kein Gebild der Phantasie, es ist die Wahrheit selbst.“

Wenn wir uns nun bemühen würden, in dem Menschen von nebenan oder von ganz weit weg einen Märchenerzähler zu wähnen, der uns, wenn wir ihn nicht verteufelt hätten, Geschichten erzählen könnte, wunderschöne Märchen aufgeschrieben hätte. Wir lieben doch Märchen, würden sie lesen und auf der Bühne aufführen sowohl von Kindern als auch von Erwachsenen. Andächtig würden wir sitzen und hören und schauen. Wenn ich unseren Kindern Märchen vorgelesen habe, musste ich häufig mitweinen, ganz verschämt.

Hier hinein gehört von Erich Mühsam aus dem „Soldatenlied (1916)“:

„Vergesst den Freund im Feinde nicht!“

Haben nicht Soldaten an den Grenzen, den Fronten erlebt, wenn sie Wache schoben, dass sich Gefühle für den Mann an der anderen Seite einschlichen. War er nicht genauso betroffen von allem Elend des Krieges, dachte an die Lieben zu Hause, an den Wahnsinn des Kampfes, Mann gegen Mann. Sie sahen sich in die Augen und wussten, sie wollten nicht sterben, nicht durch die Hand des anderen und sie wollten auch selbst nicht den Leidensgenossen umbringen.. In diesen Momenten offenbart sich die menschliche Tragödie. Er könnte mein Freund sein, ist es schon geworden.

Nach jedem Krieg beginnt der Neuanfang. Jetzt wird aufgebaut, nicht nur das Materielle, auch über die Grenzen hinaus wird verziehen, werden neue Freundschaften geschlossen, die alten aufgefrischt. Mit menschlicher Vernunft, ohne die ewigen Besitzansprüche, ließe sich doch ein Krieg vermeiden. Wenn sich hinterher sowieso wieder alle „vertragen“ und erleichtert sind, dass das Elend vorbei ist, sollte man so konsequent sein und vorher all das auf den Tisch bringen, was jetzt läuft. Warum dann noch Krieg mit allen Begleiterscheinungen bevor es losgeht und wenn er zu Ende ist.

Ein Jahrtausende altes Spiel. Heute sind fast überall die Grenzen festgelegt. Hoffentlich sind wir jetzt so schlau und halten die Regeln ein. Was uns nicht gehört ist tabu und soll es bleiben.

Viele gute Ansätze sind da, die hoffen lassen. Es werden so viele Bücher geschrieben wie nie zuvor. Für jeden ist etwas dabei, der geistige Frischedienst wird bedient wie nie zuvor. Die Literatur- und Schreibwerkstätten wachsen wie Pilze aus dem Boden, pflanzen sich fort wie das Fadengeflecht der Pilze, genannt Myzelium. Lyrik und Prosa unterwandern Internetseiten, es wird gesammelt, oneline gestellt. Und es darf gestaunt werden. Wenn all das beherzigt wird, was dort geschrieben steht, könnten wir beruhigt sein. Dann würde nur noch Frieden auf Erden gelebt. Ein schöner Traum!

© Margit Farwig  2003 - gelesen „70 Jahre Bücherverbrennung in Köln“ in Köln 


"Das ungeduldige Zündhölzchen"

 Da liegen sie nun in der dunklen Schachtel, ein Zündhölzchen neben dem anderen.

„Ich möchte hier raus, ich will etwas Großes anrichten und denke an ein Feuer, das nicht zu löschen ist“, so denkt das oberste Zündhölzchen, das besonders vorwitzig ist, „es ist so eng hier“.

Jedes Mal wenn die Hausfrau die Schachtel öffnet, fällt ein heller Schein ins dunkle Verlies. Sie schließt sie aber so schnell wieder, dass es kein Entrinnen gibt. Und außerdem bläst sie die Flamme aus, sobald sie eine Kerze oder Zigarette angezündet hat.

„Ich will nicht enden wie die anderen“, ruft das Hölzchen laut, „wenn ich an der Reihe bin, werde ich blitzschnell als Funke auf den Teppich springen. Dort glühe ich so lange, bis aus mir eine richtige Flamme wird. Dann laufe ich bis zur Gardine. Wenn ich es richtig gesehen habe, steht nebenan eine Holzfirma. Nur Holz, du meine Güte, wie ein Lauffeuer werde ich brennen. Ich klettere von Latte zu Latte, brenne mich durch bis zu den gestapelten Brettern, zünde eine Flamme nach der anderen. Ein Flammenmeer lodert zum Himmel und ich, ich, das unscheinbare Zündhölzchen, habe das angerichtet. Wie das knistern wird, knacken und knallen, Funkenstürme werden sich ergießen in das Dunkel der Nacht. Ja, Nacht muss es sein! Für all die sang- und klanglos entzündeten Mithölzchen werfe ich neue Flammen. Ich werde sie rächen. Ihnen wurde die Flamme gelöscht, ehe sie überhaupt ein einziges Feuer legen durften. Ich, ich, ich...“

Während das Zündhölzchen träumt, schwinden die anderen aus der Schachtel, bis nur eins übrigbleibt.

„Ja, was ist das?“, fragt es sich.

Eine Stimme ruft: „Zünde doch bitte die Kerze auf dem Tisch an, Elisabeth!“

„Ja, Mama.“

„Jetzt schlägt meine Stunde!“, erregt sich das letzte Zündhölzchen.

Elisabeth nimmt die Schachtel in die Hand und wirft sie sofort in den Papierkorb.

„Mama, die Streichhölzer sind alle!“

Elisabeth holt neue.

Das letzte Hölzchen kocht vor Wut.

„Sie hat sich nicht einmal die Mühe gemacht mich zu finden.“

Es windet sich hin und her und her und hin.

Dabei schrammt es heftig an die Schachtelwände. Plötzlich brennt es und brennt wie in seinen kühnsten Träumen.

„Ich brenne!“

Schon brennt es an allen Ecken und Enden. Es eilt vom Sofa zur Gardine, von der Tischdecke zum Stuhl. Es brennt das ganze Haus.

Als es nichts mehr zum Brennen gibt, haucht das Zündhölzchen einmal kurz auf und – verlöscht glücklich.

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© Margit Farwig

Die Geschichte hatte sich ein Lehrer aus Leiden für seine Schüler erbeten, die die deutsche Sprache erlernen wollten. Es war mir eine große Ehre ...


Der Rosenmann

Endlich geht der Sommer zu Ende, es ist viel zu heiß, ich mag keine heißen Tage, keine heißen Stunden und überhaupt, wohl temperiert muss mein Tag, müssen meine Stunden sein, soll ich sie empfinden, mich daran reiben, ihnen den Stempel eines für mich erfolgreichen Tages aufdrücken, mit Nachdruck. Ich hasse den Druck, die Stresseinheiten, die sich über Nervenbahnen verbreiten, sobald Hitzesträhnen die Stirn herunter rinnen. Das Tröpfeln von Schweißperlen, von ekligen Schweißperlen salzigen Gehaltes, die das Salz aus meinem Körper schwemmen, als wenn ich genug davon hätte. Nachfüllen wie beim Salztöpfchen ist angesagt, trinken, Mineralquellen leer schlürfen, damit meine Zellen nicht zusammenklappen oder ihnen die Luft ausgeht, was meine Zellen nicht zusammenklappen oder ihnen die Luft ausgeht, was schlimmer ist, nicht austrocknen. Ich stelle mir eine große Handvoll Rosinen vor, die sich eklatant in meinem Gehirn einnistet, es ist mein Gehirn, nur vor, die sich eklatant in meinem Gehirn einnistet, es ist mein Gehirn, nur, weil ich nicht genug Flüssigkeit zu mir nehme. Auch hier ist das Salz das Salz in der Suppe meiner Eingeweide, meiner Zellen, meiner Muskeln und was weiß ich, sonst wäre ich ein halber Mensch. Fazit, neu einschütten und von vorne läuft der Film über den Kreislauf meines kleinen Menschenlebens.

Zuviel Kraft geht verloren, mein Ich hängt wie in den Säulen der Akropolis, wenn ich es genau überlege. Zuviel Widerstände legten sich mir in den Weg, ich will wieder frei sein, frei atmen, frei denken, frei handeln. Ist das zu viel verlangt? Ich, ein Mensch, dessen Würde unverletzlich sein soll. Bin ich weniger Wert als andere meines Geschlechts, meines Jahrgangs, meiner Denkungsart. Habe ich nicht immer versucht, einen geraden Weg einzuschlagen? Gewiss, es gab mir selbst gelegte Stolpersteine, die andere sich nie auf ihre Lebensbahn gelegt hätten.

Bin ich die anderen, bin ich der oder der  oder wer? Eine große Last wurde mir die ewige Liebhaberei von Damen, es waren meistens Damen. Darauf wenigstens legte ich Wert. Andere wären nie infrage gekommen. Von weitem schon sah ich den lieblichen Gestalten an, woher sie kamen und wohin sie eventuell gehen wollten. Ich sage es frei heraus. Sie wollten mit mir gehen. Immer und immer wieder habe ich das geglaubt. Von Frau zu Frau und wieder von vorn. Das Drama hat bis heute kein Ende genommen. Daher versuche ich jetzt, Ordnung in mein Leben zu bringen.

Das Wirbeln mit diesen unzufriedenen, fordernden, nie den Hals vollkriegenden, Entschuldigung, dass ich so ausfällig werde, sogenannten Dämchen steht mir bis zu meinem Hals. Basta! Ich will ein neues Leben. Und doch waren sie das Lieblichste, was ich mir auf dieser Erde vorstellen Und doch waren sie das Lieblichste, was ich mir auf dieser Erde vorstellenkonnte. Und ich sage noch einmal, es war an sich die schönste Zeit meines Lebens.

Ich versuche, davon zu erzählen, ich mag meinen Namen nicht nennen, ich schäme mich, ich erzähle so, als wenn es eine andere, vollkommen fremde Person gewesen wäre: "Tief in seinem Herzen ruhen Legenden von Helden auf duftenden Rosenblättern, gebettet auf süßen Träumen, erwartend den Dornenstoß mitten ins Innerste. Sie rufen die Namen der Angebeteten in den Tag und in die Nacht. Im Früh Lied der Amsel wachsen ihnen Flügel gesponnen aus Liebe und Sehnsucht nach Erfüllung ihrer Träume.

Sie wechseln nie ihren Standort aus Furcht, die Angebetete könnte sie nicht finden in neuer Position, da sie sich nach dem Klang orientiert, die geortete plötzliche Leere ein Entschwinden signalisieren würde. Sie werden nicht müde, verspüren weder Hunger noch Durst, vergraben ihre lustvollen Gebeine in der Aura klangvoller Blütenträume, nach denen sie greifen, wenn ihnen vor Augen dunkel wird. Dann lassen sie wachsbleiche Kolombinen, rosarote, dunkelrote, Tee gelbe und ich weiß nicht, in wie vielen Farben, nach den Sonnengesängen der Winde aufsteigen, dass ihnen ein helles Licht der Liebe scheinen möge.

Sie greifen nach jedem Halm, der ihnen auch nur andeutungsweise verspricht, die Angebetete wird ihr Augenmerk auf sie richten und sie erhören. In Wirklichkeit wird sie nicht ein einziges Mal auch nur den Kopf bewegen, geschweige denn ihr Herz hüpfen lassen und schon gar nicht für diesen abgewiesenen Liebhaber, Liebhaber, der er gern sein wollte, wenn, ja, wenn nicht ein Missklang ihrer gemeinsamen Melodie sich eingeschlichen hätte. Missklänge gestalten sich auch hinfort nicht zu wundersamen Klängen gebacken aus Liebe und Leidenschaft. Ein falscher Takt legt das erwartungsvolle Gefühlssystem auf der Stelle in aller Stille lahm. Nicht ein Rhythmus funktioniert ohne Metronom, etwas anstrengend für gefühlvolle Stunden. Diese Beziehung ist auf ewig gescheitert. Die Rose in der Hand, mit einem Lächeln auf den Lippen und in ihren Augen, eine letzte großzügige Geste an den Enttäuschten, entschwindet sie wie sie gekommen ist. Gerade dieses Lächeln erweist sich als Fehlstellung der Weichen in das Land der Liebe. Verheißung, Verheißung für die Zukunft, sie kommt wieder, eines Tages zu unverhoffter Stunde.

Tag und Stunde ist nicht von ihrem Gesicht abzulesen, liegt ganz allein in ihrer Hand. Ich muss nur angemessen warten. Das Heer der Verflossenen wächst heran zu unendlichen Weiten, duftenden Feldern mit erstarrten Leibern und Gelüsten. Unter ihrer Haut brodeln Vulkane und in ihren Seelen steigen Geysire heißer Tränen gen Himmel, immer in der Hoffnung, ein Spritzer wird die erwartete Geliebte auf ihrem Weg zu ihm treffen, Ansporn sein, den Gang zu beschleunigen, denn ausgebreitete Arme warten auf sie. Auch er, der Rosenmann gehört zu dieser Gattung. Er pflegt hingebungsvoll seine Rosen, die wachsbleichen, rosaroten, dunkelroten, teegelben und ich weiß nicht in wie vielen Farben. Jede Knospe lächelt ihm zu: Warte, warte, sie wird kommen. Er spricht mit ihnen.

Besonders die erste Begegnung, die dunkelrote Rose ganz vorn am Eingang des Rosenwunders, hat ihn zu wahren Romanen hinreißen lassen. Mit ihr verbindet ihn die Liebe zu einer einzigartigen Frau. Ihr schwarzes Haar übertrifft die Dunkelheit der Nacht gepaart mit dem Blau des Enzians. Noch heute überfällt ihn ein Liebesstrahl, wenn er nur daran denkt. Ein Zittern durchfährt seinen Körper und sein Teint gleicht dem Rot dieser Rose. Es nimmt ihm den Atem, er wankt stets, sucht nach Halt und es endet mit dem Fallen auf das Sofa, auf dessen Plüsch er mit Irène gesunken ist, wenn ihn die Liebe übermannte.

Irène heißt die geliebte Rose, Irène verkörpert seine Vorstellung von Frauen, die er auch in Zukunft lieben will. Sie wird wiederkommen. Sie bleibt verschwunden. Er müsste nicht aus Fleisch sein, sollte er nicht neue Abenteuer bewältigen. Sie suchten ihn heim, sie verlangten seine Präsenz ganzkörperlich. Ja, er ließ sich fallen, ließ es geschehen. Eine hinreißende Versuchung in Gestalt einer langstängeligen Rose mit dem Namen Annabelle fiel mitten in sein verdorrtes Gemütsleben. Er hatte Mühe, nicht tatsächlich eine Rose in ihr zu sehen.

Die Begriffe purzelten durcheinander, so verliebt war er dieses Mal. Natürlich war sie langbeinig und die Rose, die er ihr zum Gedenken pflanzte langstängelig. So durcheinander bewegten sich seine Gedanken, dass er Irène einfach hinter der nächsten Anhöhe versinken ließ. Jetzt ließ er sich von Annabelle entzücken. Sie war eine Sünde wert. Annabelle zierte sich ein wenig. Einerseits gefiel ihr das Balzen, andererseits fühlte sie sich seltsam enthoben von dieser Welt. So etwas war ihr noch nie passiert. Um es genau zu sagen, sie fühlte sich zu ihm hingezogen und im nächsten Moment nicht mehr, eher abgestoßen.

Auf welcher Welle sollte sie reiten? Sie beschloss, sich gehen zu lassen, den Reiz des Neuen zu genießen. Der Rosenmann schwelgte, er, der lange nichts gefühlt von gleichgestimmten Seelen, vom Wiegen im Sommerwind. Die Liebe perlte wieder. Ihre langen hellen Haare wogten im gleichen Takt des Windes, wenn sie über Wiesen wanderten, Berge erklommen oder am Bach den Forellen zusahen. Hand in Hand zogen sie auf der Straße der Verliebten ins Reich der Sinne. Eines Tages warf sie den Kopf nach hinten, tippte sich an die Stirn und wusste plötzlich, was sie so deutlich bereits am Anfang verspürt hatte. Es war nicht die erwünschte Liebe, das Quäntchen Erfüllung fehlte.

Nie fühlte sie sich angekommen, sie wartete noch immer auf etwas Besonderes. Er konnte ihr die ewige Liebe nicht geben. Je schneller sie diese Liebe beenden würde, umso rascher könnte sie ihn vergessen. Sie schaffte den Absprung glänzend. Geknickt, ein welkendes Rosenblatt, ein fallendes Blatt, er war alles gleichzeitig. Nun perlten Tränen über seine Wangen wie Morgentau von den Blättern. Eingesponnen wie in Spinnenfängen von Seidenfäden umgarnt, suchte er einen Ausweg. Ihm blieb nichts Anderes übrig, als eine Rose zu pflanzen, das Allheilmittel, welches ihm zur notwendigen Gewohnheit wurde. Gelb und langstielig, eine herbsüße Erinnerung, das sichtbare Zeichen einer Wiederkehr der Geliebten. Sie weiß es noch nicht, aber sie kann ihn bestimmt nicht vergessen.

Es muss ein Wiedersehen geben. Denn die Rose schaut der Liebe ins Antlitz, die Rose schenkt der Liebe Tau statt Tränen, die Rose liebt den Tau auf Blüten der Liebe, im Antlitz der Rose lebt die Liebe und aus diesem Grund schaut Annabelle eines Tages nach ihm, sie trägt das Antlitz einer Rose, eine Verpflichtung an die Liebe, an seine Liebe. Noch ehe ein Jahr vergangen, stand eine neue Liebe wie hingegossen vor ihm. Nicht seinetwegen, nein. Sie war an ihn gestolpert, fast hingefallen, wenn er sie nicht aufgefangen hätte. Und doch fand sich schlagartig eine Gelegenheit, neue Liebesfäden zu spinnen.

Geistesgegenwärtig bot er ihr seinen Arm und in der ersten Überraschung griff sie danach und hielt sich fest. Dabei musste auch zu ihr en Funke übergesprungen sein, weil sie verwirrt zu ihm aufsah und in seinem Gesicht ein charmantes Lächeln entdeckte. Er beherrschte die Technik der ersten Sekunden und die der danach kommenden Stunden und Tage auch, vergaß aber zum wiederholten Male, sich gerade in solchen Momenten auf vergangene grob zu sagen, er verschenkte sich derartig gleich zu Beginn der Beziehung Rückschläge zu besinnen. Um es und besaß nichts mehr für eine fundierte, dauerhafte und glückliche Verbindung. Schließlich sollen sich findende Paare nicht immer wieder verlieren. Vorkommen kann es und wird es auch in der Zukunft, aber immer wieder?

Jeder Mensch lernt aus Fehlern, nur dieser verliebte Gockel rannte schlichtweg ins nächste Dilemma.  Er holte mächtig aus, packte die Gelegenheit beim Schopf und die Dame war vorerst auch nicht mehr zu retten. Sie himmelte ihn sowie seine Darbietungen an. Als sie dann noch ihren Namen nannte, es ist ja so üblich, sich gleichzeitig in den Vornamen zu verlieben, als wenn es keine schöneren Namen auf der ganzen Welt geben könnte, fühlte er sich wie vom Blitz getroffen. Sie hieß sage und schreibe GLORIA.

Gibt es einen himmlischeren Rosennamen als diesen? Nein! Gloria war bestimmt für seinen Rosengarten. Noch ging ihm die ganze Tragik nicht auf. Eifrig suchte er nach Begegnungen mit ihr. Sie wich ihm nicht aus, im Gegenteil, sie liebte seinen Gang, wie er ihr entgegenlief, wie er sie in die Arme nahm und sie zärtlich küsste. Der Rosenmann glaubte, seinem Glück entgegen zu laufen. Eine Weile standen alle Anzeichen auf Sieg. Endlich ein Sieg in der Liebe, wie lange hatte er darauf gehofft. Mit Vehemenz verstärkte er seine Bemühungen, suchte in seinen Liebeserinnerungen, was er bisher an Liebesleistungen auf dem Kasten hatte. Eine Menge, er quoll über, er schäumte über, übernahm sich wie gehabt und weinte schließlich über sich selbst.

Wie konnte er so einfältig sein und die weinte schließlich über sich selbst. Wie konnte er so einfältig sein und die weinte schließlich über sich selbst. Wie konnte er so einfältig sein und die kostbare Blume Gloria gediegen, aber so gediegen wiederum nicht, dass sie den Wust an überstrapazieren. Gloria lebte gediegen, liebte Liebesbeteuerungen seitens des Rosenmannes auch nur noch eine Stunde länger ertragen wollte. Sie packte ihre ganze Liebe und Habseligkeiten ein, rannte zur Tür und verschwand auf Nimmerwiedersehen. Mit Entsetzen folgten ihr seine Augen, seine Füße, sein Selbstmitleid.

Bis zur Tür schaffte er den schweren Gang, dann brach er zusammen. Nach zwei Tagen schlug er die Augen auf, räumte sich weg, schritt kraftlos in seinen Garten, fasste nach der zartrosa Rosenzüchtung und reihte sie zärtlich und hilflos ins Beet der Verflossenen. Gloria...Dann dachte er tief nach und fand wiederum das Feld der Helden auf duftenden Rosenblättern, gebettet auf süßen Träumen, den Dornenstoß mitten ins Innerste erwartend. Sofort fiel er ein in den Chor der Rufenden, obwohl Gloria nicht einmal eine Rose in der Hand hielt, ihre Augen nicht lächelten und auch auf ihren Lippen nichts an Versprechungen zu erkennen war. Er erstarrte zu seiner eigenen Legende. „Ich habe mein Leben erzählt, habe es ausgeschüttet wie vor einem Freund oder Seelsorger.

Jetzt gilt es, mein Schicksal zu wenden, eine Drehung zu vollziehen. Ich werde kreiseln, schwimmen, fliegen ... und der Herbst wird mir eine Stütze sein, eine dargereichte Hand.

 
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© Margit Farwig


Ich habe mein Leben erzählt, habe es ausgeschüttet wie vor einem Freund oder Seelsorger, . Jetzt gilt es, mein Schicksal zu wenden, eine Drehung zu vollziehen. Ich werde kreiseln, schwimmen, fliegen...und der Herbst wird mir eine Stütze sein, eine dargereichte Hand.

Glasklar liegt vor mir eine Landschaft, die Tannenspitzen eingehüllt in weiße Nebel, das beruhigt mich, alles Störende, Strömende fallt von mir ab. Ja, ich spüre das Weiche am Tag und in der Nacht. Weiße Nebel sollen mein Herz besetzen, es umfangen, einhüllen in nebelweiche Watte. Kein Stoß soll mich verletzen, kein Hieb mich zerfetzen...ich fange an zu dichten. Sollte diese Wende auch meinen Geist beflügeln, es wäre nicht auszudenken. Ein so verletzter Mensch wie ich es bin, meiner Würde fast beraubt, greift nach Worten, windet sich darin, das kann nur heroisch enden, so oder so.Ich lasse die Nebelschleier nun ziehen:

Über Wiesen, Heckenraine
ziehen Elfen, leise tanzend
ihren Reigen,
um die Leiber winden sie
Nebelschleier fein gesponnen

Herbstzeitlose
wispernd bitten
bindet uns um eure Stirn
wenn ihr euch im Kreise dreht
dass der Atem uns vergeht
Elfenhände binden
einen Blumenkranz
schwingen lautlos vor dem Wald
über Wiesen, Heckenraine
Nebelschleier fein gesponnen
Der Nebel fällt
Bühne zwischen Tau und Tag
die Tinne schnell zur Lyra greift
rührt die Saiten sacht
ein letzter Tanz Furore macht
bis auf den letzten Platz besetzt
auf Felsenstein, im Gras, im Nest
Elfen wispern leis' Applaus
Die Weiden schlafen ihren Nebel aus
Es wird geklatscht, man geht nach Haus
 
Überschlagen will ich mich förmlich, neue Gedanken auf weißes Papier zu bringen. Ich schwebe durch die Lüfte, sauge Inspiration durch die Nasenflügel, atme sie aufs Papier, halte mich nur noch an Gewässern auf, seien es Teiche, Seen, Weiher. Es muss glänzen, leuchten nach Wasser, locken wie Wasser, auf dem die Nebel geisterhaft empor steigen, zu Fantasien aufblühen, die nichts zu wünschen übrig lassen, mich tragen.

Am Teich
 
Buschwindröschen
sind in Frühling gezogen
ungelogen
ich habe sie geseh'n
sie waren so schön
habe eine mitgenommen
den anderen versprochen
ich werde wiederkommen
dreimal lauf ich um den Teich
die Knie, sie werden so weich
eine Meise und ich, wir singen im Team
morgen vielleicht schon die Veilchen blüh'n
ich hebe den Kopf
und kann es kaum glauben
der Reiher vom Sommer
mit zwei Turteltauben
gleich links auf dem Rasen
was glitzert denn da
im Hochzeitskleid, es ist ein Star
Enten kommen gelaufen, geschwommen
ohne Brot bin ich heute gekommen
pardon, ich kann selber wieder beißen
wir müssen teilen, soll das heißen
Freund Reiher sitzt wie angenagelt
ich geh' schon, eh es dir die Suppe verhagelt
 
Ich werde neckisch, ich dichte mich durch Teichränder, Seehänge und Weihertiefen, lasse kein Blättchen, kein Blümchen, keinen Vogel aus.Besonders den Reiher schließe ich in mein Herz, kann mich nicht satt sehen an diesem Riesenvogel.

Am Weiher
 
Am Weiher ging ich spazieren
und bemerkte, ganz sonderbar
dass ich nicht alleine war
auf hohen Stelzen schritt er daher
und wunderte sich genau so sehr
Reiher und Mensch
auf der gleichen Welle
während die Fische
zum Panieren sich tummeln
ich auf der Bank zunächst
um dann erneut zu bummeln
bittet der Reiher zu Tische
ein Sortiment lebender Fische
die Mahlzeit fällt recht üppig aus
ganze Schwärme ziehen von ,Haus zu Haus'
sie streifen mit ihrem Schuppenkleid
die Diagonale und die Zeit
wenn man so viel Weitblick erhält
wir schwimmen fast um die ganze Welt
was kann gar noch schöner sein - und
landen alle in seinem Schlund
 
 
 
Schwalben
 
Schwalben fallen wie vom Himmel
segeln, flattern übern Teich
ihr Federkleid die Hälfte Schimmel
die andere an Schwarz so reich
die Nacht sich hier mit Weiß gestählt
für ewig gelten sie vermählt
sie fangen Fliegen aus der Luft
die tänzelnd auf des Wassers Duft
sich wiegen in der kühlen Brise
dann wieder auf der grünen Wiese
die Schwalben greifen sie im Flug
ein Fliegenleben - nur noch Trug
 
 
Unter Weiden
 
Es sind all jene
die sich glückshungrig
in die geweihten Arme
von Mutter Natur werfen
ihr Manna auflesen
und trunken aus den
Nebeln steigen
Mond umrandet, licht
federleicht
auf Nebelfetzen ein Segel spannend
heim irren
süchtig wartend
auf einen neuen Ruf
 
Ich bin so glücklich, ich bin so selig, ich habe meine Berufung gefunden.Alle Damen, die ich einmal geliebt habe werden zu Elfen, die auf meiner Nase tanzen, Pirouetten auf meinen Schultern drehen und mir nicht mehr gefährlich werden.Spät in der Nacht stehe ich am Fenster, entdecke den Mond, ich muss ihm ein paar Zeilen schreiben:

Mondgemälde
 
Zwischen Kiefern eingebettet
lugt verträumt der Mond ins All
kleine Wölkchen angezettelt
tanzen auf zum Himmelsball
kupferrote Streifen und Intarsien
ziehen lautlos Hand in Hand
streifen vollmondsüchtig
unverhohlen sein Gewand
fein gesponnen nebeldunstig
zielt im Goldorange flüchtig
still zum Bilde einst Rembrandt
stimmungsvoll gesetzt auf Seelen
hält hier göttliches Vermählen
wandern in ein mondlich Land
zwischen Fingern rinnt das Sehnen
wie am Meere sonst der Sand
 
Ihm ist nicht zu helfen, er hat diese Damen wie Rosen unter der Erde vergraben. Ein Einsehen ist gleich Null. Er kann nun darüber nachdenken, warum er sich derart gerächt hat.
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© Margit Farwig


Die Dunkelziffer Amalgam
 
Schon lange spricht alle Welt von Amalgam. Ja, man hat davon gehört. Was geht mich das an? Und doch arbeitet das Gift still und heimlich an der Substanz, am Menschen. Am Wohl und Wehe eines einzelnen Lebens.Schon früh füllten sich meine Zähne mit dem „schwarzen Gold“. Erst wenn die Schmerzen nicht mehr auszuhalten waren, ging ich zum Zahnarzt. So ersetzte manche Amalgameinlage den Eigenanteil am ganzen Zahn.Nach dem ersten Kind fielen Plomben heraus, wurden ersetzt, neue Füllung: Amalgam.Unsere Kinder naschten sehr gern, zur Warnung zeigte ich ihnen das Innenleben meiner Zähne. Zum Glück saßen sie versteckt hinten.

Vor Jahren (1985) begann ein Drama, das bis heute noch nicht ganz ausgestanden ist. KOPFSCHMERZEN! Aus heiterem Himmel überfielen mich Kopfschmerzen. Nichts, gar nicht habe ich mir dabei gedacht. Wir mieteten ein Haus, zogen um, luden Verwandte ein. Es war an einem Samstag. Ich wachte auf, und im nächsten Augenblick überfielen mich derartige Kopfschmerzen, dass ich nicht aufstehen konnte. Wie Zangen umklammerten Schmerzen die Schädeldecke, das Innere. Ich war wie gelähmt. Eine Tablette schlucken saß nicht mehr drin. Das ging so plötzlich, dass ich an nichts denken konnte. Ganz langsam stieg ein Brechgefühl vom Magen hoch, das stärker wurde, aber so langsam, dass ich lange warten musste, bis es wirklich zum Erbrechen kam. Ein wenig besser war mir, die Schmerzen ließen nach. Elend war mir trotzdem. Ich zog mich an und schälte wie in Trance Kartoffeln, würzte den Bohnensalat. Hätte ich nicht selbstgebratene Rouladen aus der Kühltruhe holen können, es hätte kein Fleisch gegeben. Als der Besuch eintraf, ging es mir ein wenig besser. An Essen war aber nicht zu denken.

Ein halbes Jahr später wachte ich morgens auf, erst war nichts, doch in der nächsten Sekunde schlug der Schmerz ein wie der Blitz. Einen ganzen Morgen lang quälte ich mich zusätzlich mit Brechreiz herum. An Arbeit in irgendeiner Form war kein Gedanke.Mir fiel ein, dass ich in der anderen Wohnung auch einmal Kopfschmerzen bekam, dass ich mich ins Bett legen musste. Nun forschte ich, was ich gegessen habe, getrunken. Keine Schokolade mehr, keinen Käse, das Mineralwasser ist vielleicht schuld. Wir kauften anderes Wasser. Nichts half. Die Besserung lag in einer Phase, da sowieso eine Weile Ruhe herrschte.

Seitdem schlafe ich auf Kunststoff-Kopfkissen, weil ich glaubte, die Federn heizen die Adern im Kopf so an, dass es zu heiß wird und Schmerzen ausgelöst werden. Was ja auch irgendwie stimmte, weil sich die Dämpfe des Quecksilbers im Gehirn sammeln. Was ich später erfuhr. Ich habe im Sitzen geschlafen, ich bin in der Wohnung gehüpft, weil einige Sekunden lang der Schmerz nachließ. Umso heftiger schlug er in Ruhestellung wieder zu.Mittlerweile häuften sich die Anfälle. Eine ganze Weile traten sie um 11 Uhr auf. Nur noch mit Tabletten war der Tag zu überstehen. Morgens nahm ich auf nüchternen Magen, gleich wenn die Schmerzen einsetzten, die erste Tablette. Wenn ich Glück hatte und schnell genug zur Tablette griff, hatte ich gewonnen. Wenn nicht, kam die Tablette wieder mit heraus. Oder ich nahm nach dem Brechen noch eine wegen der immer noch vorhandenen Schmerzen. Der Tag war verloren. Am nächsten Tag erholte ich mich nur langsam von der Attacke. Zwei- bis dreimal in der Woche war ich dran und am Wochenende meistens.

Eines Morgens war es wieder soweit. Doch ich hatte eine Aufgabe, die Kinder von meiner Bekannten von der Schule abzuholen, zu verschiedenen Zeiten. Mir war so elend, ich konnte nicht aufstehen, war wie gelähmt. Zufällig hielt sich unsere Tochter bei uns auf. Ich rief unter Mühen ihren Namen. Sie hat die Aufgabe für mich übernommen. Heute noch frage ich mich, wie es sonst ausgegangen wäre.

Jahre gingen so ins Land. Ich war am Ende. Ein Allergie-Test sagte nichts aus. Zur Schmerzambulanz sollte ich gehen. Nun wurde mir bewusst, dass dieser Zustand anhalten würde. Vielleicht saß da oben ein Tumor? So sollte das Leben weitergehen? Diese geballten Schmerzen hielt ein einzelner Mensch aber nicht aus. Beim Brechen kam zum Schluss nur noch Galle, den Kopf schlug ich gegen die Badezimmerfliesen, um einen übertönenden Schmerz zu erzeugen.

Wenn ich in meinem Umkreis davon erzählte, schauten sie mich an, als ob ich das „Böhmische Dorf“ persönlich sei. Sie konnten so etwas nicht begreifen. Was ja auch stimmt. Sie saßen ja nicht drin. Die äußeren Merkmale wie Zittern der Hände nach Einnahme der Tabletten, deuteten in eine ganz andere Richtung. Vielleicht Parkinson?Ganz allein steht man da mit seinem Elend. Nach unendlichen Tortouren blieb mir nur noch eine Möglichkeit. Aus einer Erbmasse besaß ich hundert Schlaftabletten. Ein letztes Mal bäumte ich mich auf. Der Gedanke, das Amalgam aus den Zähnen entfernen zu lassen, bedeutete einen letzten Aufschub. Versuchen könnte ich es ja, man hörte immer wieder mal davon. Mein Zahnarzt ließ sich überreden, es liefe ja das Amalgam beim Bohren weiter in den Körper, weil ich nicht nur noch von Tabletten leben wollte. Ein paar Zähne waren schon überkront, die anderen erhielten Kunststoff-Füllungen.

Dann las ich von der Gruppe der Amalgamgeschädigten in der Kreisstadt. Ich rief den Vorsitzenden an. „Ja, Sie sind auf dem richtigen Weg. Doch der Kunststoff muss auch wieder heraus, weil sich Quecksilber noch einmal ansetzen kann. Und dann müssen sie unbedingt zum Entgiften.“ Ich atmete auf, es gab Hoffnung.Auch reduzierte sich die Häufigkeit der Attacken. Noch wagte ich nicht, richtig daran zu glauben. Nach und nach ließ ich den Kunststoff wieder entfernen, immer zwei Zähne überkronen. Es wurde besser. Es war der richtige Weg. Hoffnung schlich sich ein. Übermütig fand ich zurück ins Leben. Die Attacken meldeten sich in immer größeren Abständen, genauso schlimm wohl.

Jetzt meldete ich mich bei dem genannten Arzt zum Entgiften. Er wohnt in der Kreisstadt. Mit wahnsinnigen Schmerzen nach einer Nacht fast nur mit Brechen fuhr ich dort hin. Ich bekam ein Rezept, holte die Ampullen aus der Apotheke von nebenan und sah zu, wie der Arzt die Spritze aufzog, an den rechten Arm ansetzte. Dasselbe wiederholte sich sechsmal. Einmal musste ich nach der Spritze brechen. Die Schale kam gerade noch rechtzeitig. Nur Galle, da war schon lange nichts mehr im Magen. So konnte sich der Arzt selbst überzeugen, dass es mir dreckig ging. „Dann gebe ich ihnen etwas für den Magen.“ „Ach, Herr Doktor, geben sie mir etwas für den Kopf, dann hört der Magen von allein auf.“ Er spritzte in den anderen Arm eine flüssige Aspirin. Nach einer Weile war ich in der Lage, nach Hause zu fahren. Die Ampullen enthielten nur Schwefel, welches Quecksilber bindet, über den Urin ausgeschieden wird. So einfach ist das.

Durch das Entgiften entstanden immer längere Pausen zwischen den Anfällen. Es ging mir immer besser. Ich freute mich. Wurde und werde ich gefragt wie es mir geht, antworte ich: hervorragend! Jetzt wusste ich wieder, was es heißt, es geht mir gut.So nach und nach entfernte ich aus allen Hosen, Mantel- und Jackentaschen deponierte Tabletten.Das ist ein kleiner Ausschnitt aus dieser Zeit. Sie endete 2005.

  © Margit Farwig


Die Frau ohne Hund
 
Wenn ich zurückdenke, vor Jahren, als wir in die neue Wohnung zogen, 1. Stock, da gab es viel zu erobern. Ein großes Haus mit vielen Quadratmetern Wohnraum, das uns gleich ansprach. Und was auch praktisch als Zugabe obendrein ins Auge stach, alles in einer Höhe, alles ohne Treppe, wie es sonst in den gemieteten Häusern der Fall war. Die Schlafräume oder was auch immer, waren nur durch ständiges Auf und Ab zu erreichen. Nun die himmlische Bewegungsfreiheit, Bewegungen, die wir in andere Kanäle steuern konnten. Eine gewisse Rennerei lag mir als Hausfrau aber doch unter den Füßen, spannte sich die vollziehbare Teilstrecke z. B. im Wohn-Eßraum über zwölf Meter, wenn ich vorne anfing zu laufen, um dann nach durchschrittenen zwei Räumen in den Küchentrakt zu gelangen, der sich daran anschloss.
 
Wohlgemerkt, durch eine verschließbare Tür, um die Wohlgerüche aus der Küche nicht in die heiligen Wohnhallen dringen zu lassen. Für ein leichtes Schnuppern reichte es allemal.So, und nun gehen meine Gedanken zurück durch die Balkontür dieser Küche, die sich flink öffnen ließ, auch letzte Brat- und Dünstreste in die Natur entsandte.
 
Wie das so ist, ich werfe einen Blick auf die Terrasse und bin entsetzt. Dort steht breitbeinig, mit langem Rücken, Beinen wie vom großen Kalb, Augen wie vom Hund von Baskerville, gelb/braun, feurig, ein Tier – man nennt es Hund.
 
Dieser Hund schaute mich an, mir rieselte ein Schauer den Rücken hinunter oder waren es zwei? Alle Gedanken über Hunde versammelten sich in Eile und berieten sich, was das werden sollte, wie geht man an solch einen Fall ran, wie begegnet man, ich, diesem Ungeheuer. Blitzschnell fielen mir die jederzeit gängigen Worte ein, die ich, einem Singsang ähnelnd, an alle Arten und Größen von Hunden, säuselnd in die erwartungsvollen Gesichter, das war noch harmlos ausgedrückt, hauchte, natürlich nicht ohne die Gestik einer liebevollen Hundemutter.
 
Diese Art Geräuschkulisse, eine Performance an Vierbeiner meinerseits, kam immer an. Schwanz wedelnd und voll Hingabe öffneten sie mir ihre Hundeseele und wir badeten gemeinsam in himmlischen Momenten, die wir vorher so nicht kannten. Als Frau ohne Hund kam ich mir göttlich vor, ich wurde von Hunden angenommen.
 
Hingebungsvoll beugte ich mich nun übers Geländer, öffnete die Schleusen meiner Säuseleien von Sein oder Nichtsein, von ewiger Freundschaft oder nicht...Jetzt sah ich auch die Gebrechlichkeit, das Grau um die Mundwinkel und das angebliche Feuer in den Augen, das mehr einem flackernden Kerzenstummel glich. Das alte Tier kam in Bewegung, schickte nach Liebe bettelnde Augen hoch zu mir, nach Anerkennung und Wärme. Völlig überrascht, von Mitleid überwältigt, wandte ich mich ihm gänzlich zu. „Ja, du bist ja ein Lieber, so ein liebes Hundchen (das Riesentier), ja, so ein feines Tier (das Fell alt und struppig, stellenweise ohne Haare, glänzend), wer bist du denn?" Seine ganze Hingabe war mir nun sicher. Ich lief in die Küche, nahm eine Schnitte und schmierte dick feine Leberwurst darauf, ein Zeichen von Zuneigung und Freude, wie schön es mit uns werden sollte. Keine Bellerei, nur ein freudiges Raunzen aus verdorrter Kehle, hohoho... Mein neuer Freund versuchte, das Brot zu schnappen, es klappte. Er kaute genüsslich, warf einen dankbaren Blick hoch zu mir. Die Freundschaft war besiegelt...
© Margit Farwig 25. 7. 2012

Die Natur und wir
 
Für unser Seelenleben ist die Natur unerlässlich, stimmt, je nach der Größe des Verlangens treten wir mit ihr in Verbindung. Die guten Deutungen geben uns das Hochgefühl, die weniger guten lassen wir beiseite oder fürchten uns eine Weile. Nehmen wir die wunderbare Übereinstimmung zwischen Mensch und Tier, ja, sagen wir die Katzen. Wie sie sich anschmiegen, wie sie mich mögen, wir verstehen uns, wir sind ein Herz und eine Seele. Es ist den Tieren aufgezwungen worden, sie wurden domestiziert und nun stimmt für beide das Seelenleben. Wir wertschätzen das Dasein der Tiere, Pflanzen. Und wie. Angenommen es gibt keine Menschen, die Tiere könnten endlich in Ruhe leben, in Ruhe vor uns. Wir nehmen ihnen den Lebensraum, fällen Wälder zur Gänze. Dann sieht man, wie schwer man Pferde zu menschentauglichen Wesen machen kann, wenn man kein Pferdeflüsterer ist, zu Haustieren, jederzeit verfügbar. Jederzeit schlachtbar. In dem Moment verflüchtigt sich das wunderschöne Seelenleben. Wie viel lieber würden sie davon preschen. Selbst der Zeugungsakt, das Vergnügen und Recht jeder Kreatur, ist gestrichen z. B. bei Rennpferden, um die allerbesten Eigenschaften in die Nachkommen zu pressen. Bei Bullen wird abgesamt, ein erbärmliches Vorgehen, und den Kühen eingespritzt. Also, gonnix an Vergnügen, das gerade die Tiere hemmungslos praktizieren, wenn sie denn brünstig oder sonst was sind. Fällt ein Hai oder ein Tiger einen Menschen an, denkt er überhaupt nicht an unsere Zerbrechlichkeit, der Mensch stand zufällig in der Jagdlinie. Ein Surfer sieht aus wie eine Robbe und Robben bedeuten in Tierkreisen unter Wasser Delikatesse, Sattsein vielleicht für ein paar Tage, eine Woche. Der Natur Tier ist geholfen, eine einseitige Angelegenheit ohne jegliches Seelenverständnis. Die armen Seelen am Ufer trauern um einen Angehörigen. Ich sage dazu, nur wenn die äußerlichen Umstände günstig liegen, ist alles eingebettet in die Natur. Wenn alles vermaledeit zugeht, geht uns vieles den Rücken runter oder am A... vorbei. So ist das. Ein Beispiel die Arbeitslosen, allein von den Arbeitslosen zu schreiben, widerspricht mir innerlich. Alles war in „Butter“ solange Geld verdient wurde. Und plötzlich ist das Leben vorbei, es ist vorbei, denn der Mensch hat auf Dauer nicht die Geduld und Güte, sein jetziges Leben als gegeben anzusehen. Hier hört alles auf, die Natur ist nicht gut zu ihm, der Mensch schon lange nicht. Ein schrecklicher Ab- bzw. Ausstieg beginnt. Für manchen für immer. Das finde ich unglaublich, er ist nun Aussätziger. Nein, er hatte nichts falsch gemacht. Er hat nur seine Arbeit verloren und dann noch den Rest. Jeglicher Gedanke an ein besseres, erfüllteres Leben nach dem Tode ist Humbug. Für ihn ist alles gelaufen. Und da haben die oberen Schichten ihre Rezepte für ein angenehmes Leben, wenn es so nicht geht, geht es eben anders. Die Mittel machen es möglich, der geschulte Geist ebenso.
 
Die Schöpfungskraft setzt hin und wieder aus. Selbst die Leichtigkeit entscheiden zu können ist dem abgenommen, der keine Wahl mehr hat. Ihm sind die Hände gebunden, was das bedeutet, ein Schwimmer kann nicht ewig nur mit den Beinen schwimmen, er geht irgendwann unter. So könnte ich sämtliche Handlungen in Gleichnisse verwandeln.
 
Und, bitteschön, wer weiß was von dem Leben nach dem Tode, diese ewig gestellte Frage. Hier hilft nur der Glaube.
© Margit Farwig


 Weitere Kurzgeschichten von Margit Farwig

24.10.2022
 

Mit großer Freude, darf ich noch berichten, das das Buch von Tanja Major „ Schätze aus Wald und Wiese“,

im Rahmen des Literarischen Wettbewerbs der Frankfurter Buchmesse mit einer Silbermedaille der GAD 2022 prämiert wurde. In diesem Buch sind 9 Gedichte von Margit Farwig.. Die renommierte Gastronomische Akademie Deutschlands GAD bewertet dort die besten Genuss-Bücher.

Darüber wird demnächst in der Oyyster berichtet.

https://www.gastronomische-akademie.de/aktivitaeten/publikationen/oyyster.html


Sonntag  30.10 von 10.00 bis 17.00


Abenteuer-Literatur : Herzlichen Glückwunsch


 



 
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