Sandra.L

transzendental 3
 Ich wurde an einem Dienstag geboren, aber  wahrscheinlich hätte ich schon zwei Tage früher, also am Sonntag, auf die Welt kommen sollen. Anders kann ich es mir nicht erklären, wieso ich so viel Glück in meinem Leben hatte, von Sonntagskindern wird das ja gerne behauptet, obwohl ich immer noch der Meinung bin, dass das Glück einen seltsamen Sinn für Humor hat.

Ja, ich weiß, wer das gelesen hat, wird mich bestimmt für verrückt erklären, aber ich hatte wirklich viel Glück. Angefangen hat es damit, dass ich nicht im Auto saß, als meine Familie tödlich verunglückt ist. OK, damals war ich auch nicht der Meinung, dass es Glück war, immerhin habe ich meine Eltern und drei Geschwister verloren.

In der Zeit danach habe ich sehr viel mit dem lieben Gott diskutiert und ihn immer wieder gefragt, was das soll - na ja, ich war damals gerade mal sechs Jahre alt, da diskutiert man schon mal mit Gott, leider hat er mir damals noch keine Antworten gegeben, die habe ich erst später erfahren….

Mein Onkel (der Bruder meines Vaters) und meine Tante haben mich dann aufgenommen, im Beamtendeutsch hieß es  dann aus "Zweckmäßigkeits-gründen"!  Mir war es herzlich egal, ich war ja gerne bei Oma und auch bei Onkel und Tante, die ja alle nahe beieinander wohnten. Meine Tante meinte dann mal nach einem halben Jahr so "total" beiläufig, ich könne doch "Mama" und "Papa" zu Ihnen sagen, was ich dann auch tat. Wahrscheinlich hat sie zwei Nächte vorher schon nicht mehr schlafen können, da dieses Thema bei uns einfach kein Thema war. PUNKT. Damals war es halt so.

Mir war aber immer bewusst, dass ich etwas anders bin als die Kinder im Dorf, ich hatte einen andere Mundart wie sie, dann habe ich damals sehr stark gestottert und es kamen auch immer wieder Fragen, woher ich komme - auf diese Fragen wusste ich nie die richtige  Antwort, da man zu mir immer gesagt hat, dass man "Darüber" nicht redet (was ich ab und zu aber doch getan habe!)

Über meine Schulzeit gibt es nicht viel zu berichten, das Wort "Mobbing" gab es  noch nicht, das hieß damals noch: "Klassenkameraden ärgern", war aber im Grunde das gleiche. Ich war bevorzugtes Opfer - na ja, meistens habe ich den anderen durch mein Verhalten auch den Prügel hingereicht - leicht reizbar, dann erst recht gestottert, explodiert und dann geheult - hey, wer würde da nicht ab und zu gerne ärgern?! Durch diese Tatsache habe ich mir ein sehr dickes Fell zugelegt, welches mir bis heute ab und zu gute Dienste leistet, immerhin geht es sehr lange, bis ich mal explodiere. Allerdings empfiehlt es sich dann, mir aus dem Weg zu gehen, da ich jeden anpflaume, der gerade meint mich anzusprechen zu müssen  - leider trifft es dann ja immer die Falschen, die absolut nichts dafür können, an dieser Macke arbeite ich jetzt schon seit Jahren, leider habe ich sie immer noch nicht ablegen können.
Auch habe ich wahrscheinlich deshalb einen wirklich sehr schwarzen Humor und spreche die Sprachen Ironie und Sarkasmus fließend, leider wird es nicht immer verstanden, was immer wieder zu Missverständnissen führt.

Ich habe die klassische und im Grunde langweilige Laufbahn von Grundschule, Realschule, Berufskolleg und danach Ausbildung absolviert,  habe keine Klasse wiederholen müssen und  habe immer  den Abschuss geschafft, wenn auch manchmal ziemlich knapp, aber mir hat es gereicht - ich war halt einfach viel zu faul zum lernen, lieber habe ich Bücher gelesen – aber halt nicht Schulbücher!

Richtig feste Freunde hatte ich wenige, allerdings gab es in meiner frühen Kindheit zwei sehr gute Freundinnen, mit denen konnte ich über alles - wirklich alles - reden, auch über meine richtigen Eltern, leider habe ich sie aus den Augen verloren. Seit der siebten Klasse begleitet mich eine Freundin, die kann ich wirklich nur allerbeste Freundin bzw. Busenfreundin nennen - wir wissen mehr über uns als unsere Mütter! Die dürfen alles essen, aber nicht alles wissen..... Ich hoffe, wir werden auch noch mit 80 Jahren unsere Geheimnisse teilen!!!!!

Als ich die Lehre abgeschlossen hatte, habe ich meinen ersten Freund kennengelernt - der wurde dann auch später mein Mann, und ist jetzt mein Ex-Mann. Ich war in dieser Beziehung ein absoluter Spätzünder, aber ich habe ihn damals wirklich geliebt. Mein Jugendtraum hatte sich erfüllt: ich hatte einen Mann, Kinder (3 Töchter) und eine eigenen Wohnung  obwohl ich eigentlich immer ein eigenes Haus haben wollte.

Tja, leider habe ich diesen Wunsch nicht zu Ende gewünscht, denn nach zwei weiteren Schicksalsschlägen (Schwiegervater starb an Krebs, knapp zwei Jahre später mein Schwager bei einem Verkehrsunfall) fing es an zu kriseln. Ich habe dann lange Jahre gebraucht, um festzustellen, dass ich diese Ehe nicht mehr weiterführen möchte  bzw. will und kann, da er leider eine Geliebte hatte, gegen die ich nicht ankam: die Flasche! Es gab sehr unschöne Szenen zu Hause, auf die ich nicht weiter eingehen will, allerdings muss ich ihm eins zu Gute halten: geschlagen hat er mich und die Kinder nie! Meistens haben wir uns nur durch die Gegend geschoben – er wollte in seine Werkstatt wo die Flaschen standen, ich habe versucht, ihn daran zu hindern. Ich denke, ich war oft ganz kurz davor, eine gewischt zu kriegen, aber ich habe mich nie geduckt (innerlich bin ich tausend Tode gestorben!) und er hatte sich zum Glück so gut im Griff, dass es nur einmal bis  ganz zum Äußersten kam, das war aber auch der Grund für mich, einen Schlussstrich zu ziehen.

Die nachfolgende Zeit war hart: Geldsorgen, Streit mit (Noch-)Ehemann, Umzug, Probleme mit den Mädels. Auch hatte ich den Anspruch an mich, ich muss alles unter einen Hut bekommen und alles 1000%ig richtig erledigen.

Die Sache erleichtert hat die Tatsache, dass ich einen neuen Mann kennengelernt habe, nicht gerade. Meine Mädels waren dagegen und haben alles versucht, ihre Mutter wieder ganz für sich zu haben (verständlich, aber anstrengend!) Das Ganze war sehr nervenaufreibend und kräftezehrend.

Mein Körper hat mir genug Warnungen geschickt, die ich leider alle nicht verstanden habe – Ergebnis war eine Entzündung der Schulter mit folgender OP und ein Burn-out, meine Ärztin hat mir eine mittelschwere depressive Phase bescheinigt. Daraufhin habe ich mich für eine Behandlung in einer Tagesklinik entschieden, allerdings habe ich dadurch meine Arbeit verloren – wir haben uns für einen Aufhebungsvertrag entschieden, da ich mit der operierten Schulter sowieso nicht mehr die Arbeit hätte erledigen können.
Nach Unterschrift des Vertrages hatte ich eine Woche danach (wie war das mit dem Humor?) einen Bilderbuch-Bandscheibenvorfall – wieder mit OP -  der mich ganze 15 Monate aus dem Verkehr gezogen hat.

In dieser Zeit habe ich meine Tagesklinik besucht, was ich allen, die alleine nicht mit diversen Situationen fertig werden, nur empfehlen kann! Dort habe ich einiges über mich, meine Mitmenschen und auch Exmann gelernt. Nach einem halben Jahr durfte ich dann auch endlich in Reha. In diesen 15 Monaten sind einige Freunde von mir gegangen worden, es wurden aber auch neue Freundschaften geknüpft. Es kam auch wieder ein Umzug nach der Reha,dieses Mal nur mit zwei meiner Kinder, da meine älteste Tochter auf Grund der Schulanmeldung zur weiterführenden Schule zu meiner Mutter gezogen ist. War für uns alle soweit in Ordnung und hat sich bis heute sehr gut bewährt.

Mein Freund und Partner stand mir in dieser Zeit immer zur Seite, genauso wie meine Kinder, meine Freundin und auch meine Mutter.

In der Reha wurde ein Antrag auf Umschulung gestellt, da ich nicht mehr in der Lage war und bin, schwere Lasten zu heben oder Arbeiten zu verrichten, die mit Belastung der Schulter zu tun haben. Auf Anhieb wurde es genehmigt (freu freu) und ich musste mir überlegen, in welche Richtung ich gehen möchte. Da mich fremde Länder schon immer interessiert hatten, wäre ich gerne in den Bereich Tourismus und Freizeit gegangen. Leider habe ich da keinen Platz bekommen (die wollten alle *normale* Auszubildende und keine Umschülerin). Dann hat mir ein Berater einer Fortbildungseinrichtung den Vorschlag bemacht, ich könnte ja Erzieherin werden, da ich die Voraussetzungen erfüllen würde und diese zur Zeit sehr gesucht werden.

Ich? Erzieherin? Nie im Leben! – Dachte ich!
Ein halbes Jahr später, nach diversen Recherchen und Überzeugungsarbeit bei meiner Rentenversicherung hatte ich eine Bestätigung auf einen Platz im „Vorbereitungskurs zur Schulfremdenprüfung zur staatlich anerkannten Erzieherin“. Hätte ich da gewusst, was alles auf mich zukommt, ich hätte mir bestimmt was anderes gesucht!! In 17 Monaten haben wir den Stoff, der sonst in drei Jahren vermittelt werden, eingepaukt, d.h. wir hatten im ganzen Jahr gerade mal 4 Wochen Ferien – zwei Sommer- und zwei Winterwochen. Praxis sehr wenig , d.h. 12 Wochen ziemlich zu Anfang des Kurses, was in meinen Augen keinen Sinn macht, da uns dort noch ganz viel Wissen fehlt, welches wir erst im Laufe der Zeit bekommen, das ist aber so vorgegeben vom Kultusministerium. (Habe ich schon erwähnt, dass ich es immer ganz toll finde, wenn solche wichtigen Sachen an einem grünen Tisch entschieden werden ohne es auf Alltagstauglichkeit zu überprüfen oder mal zwischendrin die Leute zu befragen die damit arbeiten müssen?) Egal, nach 17 Monaten harten Ackerns wurde die Prüfung bestanden und ich startete in mein Anerkennungsjahr, um den Sack zuzumachen.

Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Mein Platz war ca. 50 Kilometer von meinem Wohnort und leider ca. 85 Kilometer von meiner betreuenden Schule entfernt. Pech gehabt, haben die gesagt und abgelehnt, mich während des AJ’s zu betreuen, da ich ja auch die Frechheit besessen habe, erst zuzusagen und dann meiner Schule mitzuteilen, wo der Platz ist. Also auf zur Suche nach einem Schulplatz – das war eine Zitterpartie! Egal, nach Zuteilung durch das Regierungspräsidium in Freiburg (die eine Schule wollte nicht, die andere Schule war schon voll, die Dritte lag im falschen Regierungsbezirk) kam mein erstes AJ.

Leute, überlegt euch gut, ob ihr mit wirklich allen Schwierigkeiten fertig werdet, es ist nicht immer so einfach, wie es manchmal klingt!

Ich dachte zuerst auch, die 50 Kilometer, also knapp eine Stunde Fahrt hin und auch wieder zurück, das mache ich mit links. Leider war die Arbeit stressiger als ich dachte und dann gab es auch noch zwischenmenschliche Missverständnisse und auch Differenzen zwischen meiner Anleitung und mir. Ich hätte mich mehr und besser auf die Aufgaben vorbereiten sollen, die mir gestellt worden sind und vielleicht hätte ich auch mehr von meiner Anleitung annehmen sollen oder müssen, als ich es getan habe. Fakt ist, ich wurde nicht zur Prüfung zugelassen, da ich eine sehr schlechte Note durch die Einrichtung bekommen habe. Als feststand, dass ich sehr schlecht (da wusste ich noch nicht, wie schlecht) ich beurteilt werde, habe ich mich auf die Suche nach einer neuen AJ-Stelle gemacht – und den Jackpot gezogen!

Super Anleitung, sehr gutes Team, sehr gute Betreuung durch die Schule (betreuende Lehrkraft wurde gewechselt, ich war dann „Chefsache“!) und ich habe das zweite Jahr bestanden. Einziger Wehrmutstropfen für mich: es war eine 2,5, auf dem Papier also eine 3 – egal, ich habe bestanden und wurde sogar übernommen!!

Im Moment läuft mein Leben also endlich etwas gerade aus, von diversen kleineren Katastrophen wie ein Unfall meines Partners mit daraus resultierenden Dauerschäden  und Ärger mit Exmann wegen seiner Verpflichtungen den Kindern gegenüber mal abgesehen.

Eines habe ich auf alle Fälle gelernt und diesem Spruch kann ich nur zustimmen: hinfallen ist keine Schande, aber liegenbleiben schon.

In diesem Sinne wünscht Euch das Stehauf-Mädchen noch eine gute Zeit!
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© Das Bild stammt von Roswitha Wegmann,alle Rechte vorbehalten
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