"Seine Theatertexte und Hörstücke sind Grotesken, Ausfälle und Ausfälligkeiten. [...] Heftig, schrill und bitter geht es zu in diesen szenischen Fantasien. [...] Sokolowskis Stücke überzeugen gerade da, wo sie sich selbst nicht allzu ernst nehmen"
Sokolowskis Stücke überzeugen gerade da, wo sie sich selbst nicht allzu ernst nehmen. Nicht selten geht es der Wohlstandsgesellschaft im "Endstadium der abendländischen Zivilepoche", die "aus einem Sattgefühl" heraus lebt, an Gewissen und Kragen. Am liebsten sieht Sokolowski seine Figuren in Extremlagen, lässt sie im überspanntesten Ton sprechen, in der "gröbsten aller Menschheitsdaseinsformen zwischen Liebe, Hass und Tod". Exemplarisch könnte dafür Klaus Mann stirbt (1998) stehen, einer der besten Theatertexte, die Sokolowski bislang geschrieben hat, in seiner atmosphärischen Dichte und klaustrophobischen Sprache durchaus mit Genets Zofen vergleichbar.
Kurzvita
gelernter Wirtschaftskaufmann, Funker bei der NVA, Kulturarbeiter, Hilfspfleger, Packer, Museumsbibliothekar, Buchhändler, freier Autor
1985-88 Studium am Institut für Literatur "Johannes R. Becher", Leipzig
1990 Bühnendebüt mit PORNOSZENE am Theater Kohlenpott, Herne (Regie: Willi Thomczyk)
1991 Stipendiat der Dramatikerwerkstatt für das Kinder- und Jugendtheater an der Bundesakademie, Wolfenbüttel
1993 Förderstipendium der Literaturstiftung Ruhrgebiet, Gladbeck
1996 Arbeitsstipendium des Thüringer Ministeriums für Wissenschaft, Bildung und Kultur
1996/97 Regiehospitanzen bei Andreas Homoki, Konstanze Lauterbach und Wolfgang Storch (Oper und Schauspiel Leipzig)
1998 Nominierung von ISOLDES LIEBESTOD zum Dramatikerpreis der Hamburger Volksbühne
2005 STRANDBRUCH (UA Theaterakademie Vorpommern);
18./19.11.2006 KLAUS MANN STIRBT. (UA im "Ausland", Berlin)
2008 24 LOVESTORIES;
veröffentlichte 2011 zum dreihundertjährigen Jubiläum Friedrichs des Großen DIE VORHAUT DES KÖNIGS als Buch
2012 Der abgelegte Mann | Bad aus rotem Marmor
schreibt [seit 2007] an einem Roman
ist seit 2010 Mitherausgeber [seit 2014 alleiniger Herausgeber] und verantwortlicher Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"
lebt in Berlin
"Dem Autor ist es auf geradezu brillante Weise gelungen, mehrere Handlungsfäden und Zeitebenen miteinander zu verweben..." (Obst & Ohlerich über SCHEIDEN - in einem Empfehlungsschreiben für die Teilnahme am Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 2009)
"dein Text berührte. er scheint von einem wahnsinnigen geschrieben, aber er beschreibt den wahnsinn." (Ines Eck über SHITBOY!)
"Es sind Hardcoretexte, ungeschützte, lockende und löckende oder abstoßende und verweigernde sinnlich-szenische oder gedanklich-emotionale Gewalt- und Lusteskapaden in der Tradition des dirty writing, De Sade, Jarry, Genet, Müller, Schwab... stehen Pate. [...] Hier wird nicht Aufklärung betrieben, sondern es ist aufgeschrieben, wie der Mensch in der Klemme steckt und sich darin verhält, wie seelische Not sich in Libido und Gewalt entlädt. Das ist kein psychologischer Befund, sondern ein gesellschaftlicher." (Jörg Mihan)

Bismarck hatte vielleicht in jener Nacht einen spontanen Hass-Anfall, so was kommt in den besten Häusern vor. Und Hass & Liebe als die beiden „Grundgefühle“, die ein jeder von uns kennt, beeinflussen uns freilich Tag und Nacht – bestimmen tun sie meine Arbeiten mitnichten, dafür sorgen ich und meine hoffentliche Selbstkontrolle.
Beschreibe dich in 5 Worten!
Andre Sokolowski
Einleitung, Steigerung, Höhepunkt, Umkehr, Katastrophe – frei nach „Die Technik des Dramas“ von Gustav Freytag.
Wie gehst Du mit sogenannten Schreibblockaden um? Burn Out! Schon mal erlebt?
Schreibblockaden kannst du nicht per Knopfdruck überwinden, so etwas braucht Zeit. Kurz vorm Burn Out zu stehen, die Gefahr ist immer da – du musst dich, wenn „es“ kommen will, dagegen wehren (Sport und frische Luft), doch das ist leicht gesagt, ich weiß.
Wann hat Dich das Schreibvirus gepackt? Hast Du erst spät angefangen zu schreiben oder hast Du Dir bereits früher Geschichten ausgedacht?
Ich wollte Schauspieldramaturg werden und fiel in Leipzig durch den Eignungstest – das war der Stachel. Und dann spannte ich ein Blatt Papier in meine alte Rheinmetall-Schreibmaschine und versuchte mich mit einer rekapitulierten Szene (dieses so verkorksten Eignungstests). Das klappte irgendwie und machte Spaß. Ab da wurde ich Stückeschreiber.
Gibt es Menschen und Dinge im realen Leben, die Dich zu Deinen Figuren inspirieren? Gibt es Auslöser für Ideen, die besonders waren und an die Du Dich gerne erinnerst?
Das pralle Leben – und du selbst - sollten dir Stoff zum Schreiben bieten. Damit wirst du so und so nie fertig. Ein zentraler Auslöser wurde mein Vater, er war jugendlicher Fremdenlegionär während des Frankreichkrieges in Vietnam, seine Geschichte lieferte den Stoff zu einem meiner ersten Stücke.
Welchen Stellenwert hat Literatur für dich, welche Rolle spielt sie in deinem Leben?
Als Schriftsteller betrachtest du Literatur (die eigene sowie die „fremde“) absolut als einen Lebensmittelpunkt.
Hast du ein paar Tipps parat, wie Autoren ihre Erfolgschancen erhöhen können? Worauf sollten Autoren dringend achten?
Erfolg ist relativ. Und woran misst du das, an Büchereinnahmen, an Klickzahlen auf Facebook oder öffentlichen Auftritten in Talkshows? Brauch ich Alles nicht, nein, danke.
Hast du einen Lieblingsort, an dem dir das Schreiben besonders leicht von der Hand geht?
Zuhause.
Es gibt diverse Angebote, kreatives Schreiben zu lernen, sei es an Unis oder bei Schriftstellern. Ist alles Handwerk, kann man alles daran lernen oder sitzt es in einem? Wie hast du gelernt zu schreiben?
Schreiben ist Talent. Du kannst es freilich handwerklich vervollkommnen oder auch vervollkommnen lassen. Nachdem ich merkte, dass ich schreiben kann, bewarb ich mich am damaligen Institut für Literatur „Johannes R. Becher“ in Leipzig. Das galt zu seiner Zeit als elitäre Dichterschule in der DDR – dort für eine vorübergehende Zeit aufgehoben gewesen zu sein, betrachte ich im Nachhinein als Privileg.
Wärst du lieber ein Löwe in der Savanne oder ein Delfin im Meer?
Beide sind vom Aussterben bedroht, von daher...
Wie siehst du die Rolle des zeitgenössischen Schriftstellers. Wird es in Zukunft überhaupt noch den klassischen Schriftsteller wegen meiner auch den klassischen Journalisten, geben? Oder wird er von gesellschaftlichen Entwicklungen überrollt?
Ob zeitgenössisch oder klassisch – Dichter (der vielleicht noch adeligere Begriff als „Schriftsteller“) wird es wohl immer geben. Ob sie die Gesellschaft, der sie etwas über sich und deren Welt zu sagen angetreten sind, letztendlich dann noch will und braucht, ist eine andere und mich für meine Lebenszeit, die mir noch bleibt, kaum groß interessierende Frage.
Unter den Literaten gibt es einen bösen Spruch: „Ist die Prosa dir zu schwierig, versuche es einmal mit Lyrik“. Wie gehst du damit um? Welche Rolle spielt für dich die Arbeit an und die Beschäftigung mit Form, Metrum und dem Sprachvermögen in den Beiträgen?
Die Lyriker (und ich meine hier nicht die Schreiber von hausfrauen- oder hausmännerlyrischen Poesiealben) sind die eigentlichen Dichter unter uns. Gedichteschreiben heißt mit Sprache arbeiten. Und Sprache ist nun mal das A und O jedweder Dichtkunst. Die Beschäftigung mit Formen, Metren, also Sprachvermögen allgemein, zählen mit zu den Grundvoraussetzungen dichterischer Arbeit.
Ist das gedruckte Buch nicht ein aussterbendes, von der Digitalisierung bedrohtes Medium?
Kann sein, kann nicht sein.
Wie reagierst Du auf die zunehmende "Sparpolitik" der Verlage, ausländische Lizenzen, den Werken junger erfolgsversprechender deutscher Autoren vorzuziehen?
„Man“ orientiert sich schon seit Langem um. Gedruckte Bücher fühlen sich natürlich prima an, das Blättern in Papier hat eine fast erotisch anmutende Komponente. Es wird, nicht nur daher, Bücher wohl auch weiter geben. Die Verlage müssen aber rechnen, dass sie überhaupt noch (mit Papier-Büchern) bestehen können, ihr Programm hat so gesehen auch opportunistische Motive. Umkehrschluss wäre und ist, dass sich Autoren, wenn sie keine Chancen sehen, in Verlagsprogramme rein zu kommen, selbständig nach zig vorhandenen Alternativen umsehen. Und wenn sie „echte Dichter“ sind, scheren sie sich dann erst mal nicht, ob sich das Alles rechnet oder ob sie gar von ihrem Schreiben leben könnten, was an sich ein großer Trugschluss ist und bleibt. Viel Glück!
Goethe sagte, alles Schreiben sei autobiographisch. Das stimmt sicher in Bezug darauf, dass man immer in dem drin steckt in Gedanken, was man schreibt. Steckst du auch in deinen Figuren? Gibt es eine, mit der du dich speziell identifizierst?
Ob biografisch oder autobiografisch, ist egal - du solltest, wenn du Dichter bist bzw. dich als Dichter ernst begreifst, glaubhaftig (für den Leser) sein.
Viele Autoren heute und auch in der Vergangenheit haben sich politisch geäußert. Hat ein Autor einen politischen Auftrag in deinen Augen?
Nein.
Einige Schriftsteller schreiben mit Bleistiften, deren Stummel sie, nach Büchern sortiert, aufbewahren. Hast du eine ähnliche Marotte?
Nein.
Wann hast du dich zum letzten Mal so richtig frei gefühlt?
Was ist „richtig frei“?
Lass uns einmal auf das aktuelle Zeitgeschehen eingehen. Glaubst du, die vielen Flüchtlinge folgen noch dem Ruf der Freiheit? Oder steht Europa nur für Sicherheit und Wohlstand?
Beides stimmt, obgleich die beiden Fragesätze absolut pauschal sind.

