Ein Morgen voller Gedanken
Es ist ein normaler Morgen: Frühstück in Ruhe, dann noch schnell Brot holen, zur Hausärztin, zur Bank, ein Stückchen Obst, noch ein Kaffee.Ich begleite ihn zur Tür, sage ihm noch ein Liebes Wort und schaue dem dunklen Wagen mit seinen aufleuchtenden Bremslichtern nach.Traurig und sehr nachdenklich bleibe ich zurück. Wie das Licht des Autos entschwindet, so wird auch unser gemeinsames Maßband immer kürzer. Irgendwann werden wir – wie die Lichter des Autos – unser gemeinsames Leben entschwinden sehen. Wer wird der Erste sein?Ich bin allein mit meinem Hund, meinem Kater. Es ist so unglaublich still.
Spaziergang im Wald
Noch gestern haben wir einen langen Spaziergang im Wald gemacht. Wir haben uns kaum unterhalten. Jeder hing seinen Gedanken nach – und die waren nicht fröhlich.
Hoffnungen und Rückschläge
In diesem Jahr zuerst der Jubel: Die Strahlentherapie hat so gut angeschlagen. Doch dann, bei den Kontrollen, der Anstieg eines Wertes, der nichts Gutes verheißt.Schon lange zuvor: Einbruch der Kräfte, Untersuchungen ohne klares Ergebnis. Versuche mit Aufbauspritzen, dann ein Infekt, Borreliose, lange Antibiotikabehandlung – und die Kräfte schwanden mehr und mehr. Atemnot schon bei geringster Belastung kam dazu.Nach kurzer Zeit waren immer mehr Pausen auf den Wegen nötig. Schwindel stellte sich ein, ohne dass eine Ursache gefunden werden konnte. Das Auto bekam Beulen, weil die Koordination nicht mehr stimmte. Zum Glück wurde niemand anderes geschädigt.
Klinikaufenthalt und Hoffnung
Plötzlich: Er wollte nur einen Befund abgeben, doch die Ärztin bat ihn zu sich. EKG, Einweisung in die Klinik.Trotz aller Unzulänglichkeiten unseres Gesundheitssystems – der Warterei, des Mangels an Information – folgte eine Herzkatheteruntersuchung und die Implantation neuer Stents in die Herzkranzgefäße. Alles ging gut. Er schien sich zu erholen, die Atemnot wurde geringer, die Schwindelgefühle ließen nach. War es also „nur“ eine Durchblutungsstörung vom Herzen her, auch im Kopf?
Mein Sturz
Dann der Knall: Ich war allein mit meinen Haustieren und musste mit dem Rollator unseren Hund ausführen. Der Kleine versteht ja nicht, warum seine langen Gänge plötzlich ausfallen sollten.An einer abschüssigen Stelle, eine Bodenwelle – ein Rad des Rollators schlägt um, ich mache einen Köpper darüber und komme zunächst nicht hoch. Drei Leute eilten herbei und halfen mir. Ich sagte erst: „Vielen Dank, nein, es ist nichts passiert, nur der Schreck. Es geht schon, ich wohne ja nicht weit.“Doch schnell merkte ich: Es ist doch etwas passiert. Der Daumen an der erst vor wenigen Wochen operierten Hand – gebrochen. Mein Knie schwoll an, verfärbte sich. Und nicht nur das Knie.
Ärzte, Termine und Geduld
Ich kühlte, bewahrte Ruhe. Am nächsten Morgen zum Orthopäden. Die Orthopädin schickte mich in die Handchirurgie. Freitag, früher Nachmittag – die Chirurgen schon weg. Ich bekam eine Schiene, Schmerzmittel, und ein Computertomogramm wurde angeordnet.Doch jeder Versuch, einen Termin zu bekommen, war ein Desaster. Schon die Überweisung war ein Problem. Schöne neue Computerdenke bei den ärztlichen Mitarbeiterinnen. Ich gab es auf.
Herzschrittmacher und Alltag
Mein Mann ließ sich entlassen. Man hatte ihm eröffnet, er brauche einen Herzschrittmacher. Erst einmal war er da. Seine Hausärztin half mir, einen CT-Termin zu bekommen. Am nächsten Tag wieder in der Handchirurgie: Erfreuliche Nachricht – keine neue Operation, nur Schiene.Inzwischen war unser seit einem halben Jahr geplanter Verwandtenbesuch angekommen. Auch das haben wir noch vier Tage gemanagt. Am Abreisetag hatte ich einen Lehrgang – auch der wurde bewältigt.Dann eröffnete uns unser Sohn, dass er dringend ein Auto brauche. Vater als alter Fordler bekam natürlich einen Preisnachlass. Also: Auto suchen, viele Telefonate, Einigung, Kaufvertrag – und dann: April, April, das Auto war schon verkauft. Neues suchen! Schließlich wurde am Wochenende ein anderes Auto gekauft.Kaum war der Sohn abgereist, kam der Termin zur Implantation des Herzschrittmachers näher.
Angst und Fragen
Heute soll der Eingriff gemacht werden. Wie immer habe ich Angst um ihn, möchte ihm nahe sein, kann es aber nicht. Wir sind telefonisch verbunden.Wie lange bleibt uns noch gemeinsam? Erreichen wir im Januar unsere diamantene Hochzeit? Wie wird es ihm mit dem Gerät gehen?
Eigene Erkrankungen und Enttäuschungen
Auch ich hatte Erlebnisse, die nicht erfreulich waren: Blutdruck und Herzfrequenz stimmten seit November nicht mehr. Schlaflabor, Maske, die ich nicht tolerieren konnte. Krankenhauserfahrungen, die nicht schön waren. Dann die Diagnose: Niereninsuffizienz Grad 3.Warten auf Termine – und dann: 2 ½ Stunden Wartezeit über den Termin hinaus. Ärzte und Mitarbeiter stehen am Tresen, lachen, reden. Ich fühle mich wie eine vergessene Handtasche. Mir geht es nicht gut. Die Helferin beordert mich in einen fensterlosen Raum: „Die Ärztin kommt gleich.“ Nach 20 Minuten hatte ich den Papp auf, bin unter Protest gegangen.Im Bericht steht nun: „Die Patientin verließ die Praxis vor der Untersuchung.“ Ja, verdammt – ist man nur Arbeitsmaterial, das nach Belieben aus der Schublade gezogen wird? Alt, weiblich, Kassenpatient. Und auf den Termin hatte ich Wochen gewartet. Dennoch: Diese Praxis sieht mich nie wieder.Ich war selbst in Praxen tätig. Wäre ich so mit Patienten umgegangen, wäre ich rausgeflogen.
Vertrauen und Trost
Empfindlich bin ich geworden. Vertrauen ist besonders nach der Corona-Zeit stark geschwunden. Manchmal ist man auf Ärzte und Personal angewiesen.Es gibt sie noch – wie die Hausärztin meines Mannes, die sich kümmert, auch um nicht-eigene Patienten. Das ist tröstlich in dieser Wüste der Dienstleistungen.
Das Bild der Rücklichter
Das davonfahrende, schwindende Rücklicht des Autos hat mich so traurig und nachdenklich
© Karin Oehl
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