Ein alter Mensch ist gegangen......
Ein alter Mann saß lange auf einer Bank hinter dem alten Rathaus. Sehr gepflegt sah er nicht aus, oft hielt er ein alkoholisches Getränk in der Hand.Manchmal setzte sich ein Mann neben ihn und sie unterhielten sich, immer, wenn wir vorbeikamen, war er da. Irgendwann fiel mir auf, dass er Taschen dabeihatte, wohl sein ganzes Hab und Gut. Leute erzählten sich, er ließe sich auch nicht helfen. Plötzlich war er nicht mehr da, es standen Blumen und Kerzen auf SEINER Bank.Man erzählte sich, er wäre vor ein paar Tagen noch beim Arzt gewesen, weil er Schmerzen in der Brust hatte. Wo er gestorben war, konnte mir niemand sagen. Seine Bank ist leer, ein richtiger Altar mit Bildern, Kerzen, Blumen ist aufgebaut. Was nützt es ihm noch? Er scheint Bekannte gehabt zu haben, man erzählt so viel, wie es immer ist… Was stimmt?
Ein alter Mensch ist gegangen auf eine Reise ohne Wiederkehr, jetzt wird er vermisst. Was wissen wir von ihm? Eigentlich nichts, Er war da, tat niemandem was, niemand sah sich genötigt, sich mehr Gedanken zu machen oder täuscht es? Ich weiß es nicht, auf der Bank steht auch eine halbvolle Schnapsflasche.
Ein Mann einstmals eine Persönlichkeit im Beruf, häufig gesehen mit seiner Frau in der Stadt, von Kollegen, gegrüßt kleines Schwätzchen gehalten. Man erfährt irgendwann, dass seine Frau krank war, dass sie gestorben ist. Er hat einen Hund, Inzwischen sind Jahre vergangen. Der Hund ist noch da, gealtert wie er, ungepflegt wie er, lange lief der Hund ohne Leine. Im dicksten Verkehr, man wunderte sich, dass nichts passiert ist. Der Hund, etwas übergewichtig, lief lange immer hinter dem Mann her.
Irgendwann ist ihm der Hund abhandengekommen, ist nicht hinter seinem Herrn her gelaufen, sondern in das Café, wo der Mann gelegentlich seinen Kaffee trank und vielleicht ein wenig Unterhaltung suchte. Der Ladenbesitzer kannte den Hund, nahm ihn fest an sich und wartete auf den Mann. Seitdem geht der Hund an der Leine, langsam, bedächtig, hinter seinem Herrn wie es schon lange war.
Ein Bild, ja was für ein Bild, etwas jämmerlich, erbärmlich, aber was kann man tun? Wie geht es ihm wohl daheim, wer hilft ihm? Hat er Hilfe? Will er sie, braucht er sie? Dafür kannte man ihn nicht gut genug aber man macht sich Gedanken.
Da ist ein Mensch, den man immer wieder mal sieht, mit dem man früher mal Small Talk gehalten hat, der jetzt nur noch mit dem Auto an ihm vorbeifährt. Veränderungen wahrnimmt und sich Gedanken macht, mehr nicht.Es ist ein Fremder geworden, man wird nicht mehr erkannt. Genauso wie der Alte auf der Bank hinter dem alten Rathaus. Irgendwann wird der Hund nicht mehr sein, der Mann nicht mehr sein, wer wird ihn vermissen?
© Karin Oehl