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Eindrücke einer Stadt...

Eindrücke einer Stadt...

Ich quäle mich bei der Hitze in die Stadt, kein Stadtspaziergang hat mich hierhergebracht, ich musste dahin und kaum hatte ich einen Parkplatz ergattert, habe ich es schon bereut.  Hellgraue Hose, ein weißes T-Shirt mit rosa Aufdruck, flatternd eine gleichfarbige Weste darüber, ein braungebranntes Gesicht unter fast weißblonden halblangen Haaren, das bin ich im Spiegel eines Schaufensters.

Von außen sehe ich so aus, als wäre ich eine von ihnen, aber ich fühle mich wie ein Fremdkörper mitten in der Stadt. Um mich herum überall Baustellen, die halbe Stadt haben sie zur Baustelle gemacht. Kleine Lücken zum durchquetschen, im aufgeworfenen Bauschutt zwischen Baggern haben sie für uns übriggelassen. Ich frage mich: Wer wohnt hier noch? Vielleicht über mir? In den Hochhäusern über den Geschäften? Gähnende Leere aus dunklen Fenstern. Wie ein ausdrucksloses Gesicht glotzt sie mich an, diese Stadt.

Zerquälte, angespannte gehetzte Stadtgesichter auf den Straßen. Was tue ich hier? In dieser Stadt? Das Kaufhaus an der Ecke hatte auch schon bessere Zeiten gesehen, nun haben sie die Eingänge zugenagelt. Halb zerfetzte Zeitungsenten hängen vergilbt an leergeräumten Schaufenstern, in denen früher dumme Puppengesichter standen, sie flattern im Wind. Gegenüber kämpft sich tapfer ein Modegeschäft schon seit über hundert Jahren durch die Zeit. Man fragt sich, wie hatte es je eine echte Chance mit seinen antiquierten Bayern Dirndln und Lederblazern gegen die ein Euro Läden und diverse Bäcker die auf und zu machen, je nachdem wie sehr ein Besitzer mit den Preisen munter rauf und runtergeht. Asya Läden sprießen wie Pilze aus dem Boden und kaum ein Junk Foot Besitzer trägt noch einen deutschen Namen mehr. Ich kämpfe mich tapfer über Schuttboden und aufgeworfene Steine mit meinen Sandalen, meine Füße sind keine festen Schuhe mehr gewohnt, zuhause laufe ich meist barfuß oder in Strümpfen, sie schreien schon nach wenigen Metern gequält auf. Ganz sicher habe ich mir längst eine Blase gelaufen.

Mein Gesicht nimmt im spiegelnden Glas des Schaufensters fast automatisch den Ausdruck der übrigen Stadtgesichter an. Namen und gesichtslos wie viele andere, nur nicht auffallen...

An einer Apotheke mache ich Halt und trete ein, kaufe vorsichtshalber zum Rezept noch ein Blasenpflaster, damit ich den Heimweg unbeschadet schaffe. Was für ein Lärm, diese Bagger, von überall her erklingt dieser Lärm, gegen den scheinen alle anderen schon abgestumpft sind. Keiner scheint ihn mehr richtig wahrzunehmen.

Leere Gesichter. Ein kleines, fast vertrocknetes Rasenstück vor der alten Kirche, die mehr ein alter Glockenturm als eine Kirche ist. Unter ihr hat eine Eisdiele den Platz gepachtet um verstreut ein paar Sessel ins Grün zu stellen, damit die müden Stadtspaziergänger ihre Füße ausruhen können. Das wird hier gerne von der Kundschaft angenommen. Es ist heiß, die Hitze flimmert über der Stadt.

Das, was zwischen all den Um - und Anbauten noch an Asphalt da ist - scheint aufgequollen, blasig - unangenehm. Leise Klänge leiten mich in eine Nebenstraße hinein. Mein Blick bleibt an Häuserwänden haften, rote Backsteinmauern wie aus einer anderen Zeit. An ihr ranken sich je Länger je Lieber, Pflanzen bunt empor. Lila und gelb blüht es daneben. Roter Mohn nickt mit dem Köpfchen. Eine Tasse Kaffee auf einem verschnörkelten Eisentisch.

Es sieht so aus, als wäre einer nur mal eben aufgestanden um gleich wieder zurückzukehren. Eine kleine Katze räkelt sich müde auf einer Steinstufe, daneben träumt eine alte verwitterte Holzbank von früheren Zeiten. Es ist ein Innenhof wie man ihn eigentlich eher im Süden erwartet. Noch mehr Innenhöfe in denen schöne alte Bäume stehen, einer scheint in den anderen hineinzugleiten. Stille...Die Fenster mit den weißen Streben stehen weit offen, das Licht und die Sonne spiegeln sich darin und aus einem klingt in die Stille das Ave Marie von Schubert, gespielt auf einer Mandoline hervor. Das hat mich hierhergeführt und scheint alleine nur für mich gespielt zu werden. Eine alte Frau blickt aus dem Fenster und lächelt mir freundlich zu ...Friedlich und still, wo ich weder Friedlichkeit noch Stille erwartet hatte…Schön, dass es das in dieser Stadt noch gibt. Doch ich bin längst nicht mehr hier.

Das entschädigt mich für all den Lärm, die Unordnung, die Bagger und die leeren Gesichter, mich drängt es wieder heim, aber der letzte Eindruck, der war schön, den nehme ich mit heim. Der letzte innere Blick auf die Stadt.


 @ Angelface


 

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