Der Krieg und wie es weiter ging Teil I

von Ela Steiner

Die Story einer deutschen Familie in den Kriegswirren aufgezeichnet von Symphonie

Der Anfang vom Ende ...

… es ist der Winter 1941, die Truppen stehen im Russlandfeldzug. Der junge Oberfeldwebel, etwa 30 Jahre, hoch gewachsen, schlank, ja fast hager mit den graugrünen Augen und dem dunklen Haar um das hagere ernste Gesicht, sitzt im Schützengraben bei seinen Männern. Von den Kameraden sind schon viele nicht mehr da, die Kompanie ist geschrumpft. Entsetzen, Verzweiflung oder dumpfe Resignation spiegelt sich in den Gesichtern der Soldaten wider. Wie lange wird der Wahnsinn noch gehen, wann gilt wem der nächste Schuss? Man versucht mit der kleinen Ration Essen von *Irgendwas* zu überleben. Ein kleines Feuer im wackeligen Unterstand in dem tiefen Trichter eine Bombe, ein heißer Tee, mehr Wasser als Tee, das muss reichen für heute. Eilig schreibt der Feldwebel wieder ein paar Zeilen an die liebe Frau zu Hause, auf gelbes Papier - mit dem klein gewordenen Bleistift geschrieben - von dem Polenzug, der schnell vorbei war und von dem langen Marsch durch Russland erst noch im Sommer. Ob die Post ankommt und wann, das weiß hier niemand. Noch ein kleines Bild dazu gezeichnet und wie immer einen liebevollen Vers. Dann den Brief zugeklebt.

Neben ihm sitzt sein Putzer, noch jünger als er, ein treuer Kamerad, der an seine Freundin schreibt und sich ab und an versteckt eine Träne aus dem Gesicht wischt. Einer der Landser stimmt das Lied an *Lilly Marleen*, die anderen summen leise mit. Der eisige Wind, der durch die Ritzen pfeift, lässt sie schon bald wieder verstummen. es ist still, zu still, im nächsten Moment hört man von weitem wieder Beschuss, das dumpfe Geräusch von Detonationen der Bomben...

Nun ist es Winter und der ist alles andere, als erträglich. Eben ein russischer Winter, dem schon viele zum Opfer gefallen waren. Gegen die grimmige Kälte war man nicht gefeit und die Kleidung hielt dem kaum stand. Ob die Frauen wussten, dass man noch lebte? Einige Soldaten stimmen nun in der Einöde das Lied vom *Polenmädchen* an, aber auch das erstickt in den Kehlen schon nach der ersten Strophe. Heute ist die Stimmung besonders gedrückt. Andere starren stumm vor sich hin, während sie das karge Mahl zu sich nehmen. Nun gilt es, auf dem Russlandvormarsch durchzuhalten, doch niemand glaubt mehr daran, hier lebend herauszukommen.

Das zu Hause ist so weit weg. Die Kameradschaft ist das einzig Menschliche, was man noch hat. Keiner hofft da noch auf ein Durchkommen, stets kurz vorm Verhungern und Erfrieren, reagiert man einfach bleiern. Fast automatisch macht man weiter, bis es nicht mehr geht und man einfach umfällt, wenn nicht schon vorher eine Granate das bisschen Leben zerfetzt.

Am späten Abend nach der Lagebesprechung bricht man auf, um ein weiteres Dorf einzunehmen, den Beschuss einzustellen und dort Quartier zu machen vor der bevorstehenden, nächsten unendlich weiten Strecke. Im Schutze der Dunkelheit will man die Lage erkunden. Der Oberfeldwebel sucht einen freiwilligen Kameraden aus und mit zwei Mann machen sie sich auf den abgesprochenen Weg als Vorhut. Er und sein Kamerad gehen im Schutze der Nacht den schneebedeckten Weg zum nächsten Dorf. Hier wollen sie auskundschaften, ob es unbewohnt ist und als Raststation für die Truppe vor dem langen Vormarsch dienen könnte, leere Häuser, eine notwendige Unterkunft ehe die Landser weiter müssen. Die Truppe soll innerhalb zwei Stunden nachfolgen. Mit der letzten inneren Kraft und Treue versucht der junge Oberfeldwebel seiner Truppe Halt zu geben und die Orientierung nicht zu verlieren, im tiefen Schnee der fremden weiten Steppe.

Das kleine Dorf ist wie leer gefegt, sie kommen an einem kleinen verlassenen Bahnhof. Niemand ist zu sehen. Sie stapfen weiter durch den tiefen Schnee, der ihnen bis zu den Knien reicht. Die Füße sind schon lange nicht mehr zu spüren vor Kälte, eisige leblose Klumpen mit Lappen drum in den Stiefeln. Die Uniform, ja selbst der Mantel sind zu dünn für das, was man hier als Winter erlebt. Noch unschlüssig auf einem Feld im Schnee stehend, überlegen sie, wo man hier Quartier machen könne, vielleicht etwas zu essen finden. Die nachrückende Kompanie ist noch weit weg von ihnen. Sie werden erst in etwas zwei Stunden eintreffen.

Der kleine Dorfbahnhof des Ortes scheint ebenfalls menschenleer zu sein, so ist es in den letzten Tagen fast überall gewesen. Hier wohnt wohl auch niemand mehr. Da peitscht plötzlich ein Schuss auf, ein einzelner, versprengter russischer Späher stand hinter einer Tür des alten Bahnsteiges und hatte die Soldaten kommen sehen. Der Knall hallt tausendfach in den Ohren des Feldwebels wider. Er stürzt in den tiefen Schnee und kann sich nicht mehr rühren, ein letzter Gedanke streift ihn \\\"nun bin ich es, was mag Margret wohl tun, wie kommt sie zurück nach Düsseldorf, allein mit dem Kind, oh Gott, das kalte Entsetzen und Grauen lässt ihn erschauern. Nicht hier in der einsamen, weißen Wüste sterben, oder so vom Feind gefunden zu werden, lieber Gott nicht hier - steh mir bei – denkt er im letzten Moment. Seine Flinte kann er nicht mehr gegen sich richten, er kann sich nicht mehr rühren. Dann verliert er vor Schmerzen das Bewusstsein, der Schnee verwandelte sich in weiche Watte, keine eisige Kälte mehr, nichts mehr…

Der andere Soldat, der sich im Dunklen geduckt hatte und etwas von den Büschen abgeschirmt war, verhält sich still, nichts rührt sich mehr. Nach etwa einer halben Stunde robbt er sich langsam vor im Schnee und flüstert leise „Oberfeld, Willy, bitte sag doch was... “ Er versucht sich etwas aufzurichten. Da sieht er, dass der Kamerad nicht bei Bewusstsein ist, aber er atmet leise, lebt also noch. Der linke Arm liegt seltsam verdreht weg vom Körper, ob er noch dran ist oder nicht, kann er nicht erkennen. Ohne Halt in dem tiefen Schnee versuchte er nun langsam an dem gesunden Arm des Kameraden ihn mit sich aus der Schusslinie zu schleifen. Zentimeter für Zentimeter…. \\\"Lieber Gott, betete er zum ersten mal seit langer Zeit wieder, lass es nicht hier zu Ende sein für uns, dann war unser Überlebenskampf umsonst“. Eine Träne läuft über sein verhärmtes Gesicht, schon lange hatte er nicht mehr geweint, zu grausam waren die letzten Jahre, Abstumpfung war besser als Gefühl, nur so konnte man das ertragen und überleben. Das einzig Menschliche was man noch hatte, war die Kameradschaft Treue bis in den Tod, was anderes gab es schon lange nicht mehr!

Da zerfetzt ein weiterer Knall die unheimliche Stille der Nacht. Der Soldat dreht sich blitzschnell um und versuchte die Person und ihren Standort auszumachen, zielt einfach ins Dunkle und schießt zurück, dann sinkt er hintenüber und ist auf der Stelle tot, die Hand noch an dem Arm des verletzten Kameraden, ihr Blut vermischt sich im Schnee. Auch der Feind im Dunklen ist getroffen und fällt um wie ein Stein ...


Ende Teil I

Veröffentlicht am:
12:35:55 07.11.2008

 

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