Der stachelige (rote) Faden

Der stachelige (rote) Faden

Eine gewachsene Liebe zu allem was stachelig ist



Die Gedanken gehen zurück in die Kinderzeit.

Meine Großmutter hatte die Fensterbank voller Blumen , davon viele Kakteen

Großmutter war eine Frau mit grünem Daumen. Was sie in den Garten oder auf die Fensterbank brachte, gedieht und blühte, trieb Frucht, es war eine Freude. Sie wusste auch immer was gemeinsam gedieh und was man besser weit auseinander pflanzte, was welchen Boden und wie viel Wasser es benötigte.

So blieben oft vor unserem Haus die Leute stehen und bewunderten die Blütenpracht – auch der stacheligen Pflanzen.

Ich habe bald Großmutters Liebe zu diesen stacheligen Gewächsen geteilt. Heute hege und pflege ich viele davon und sie erfreuen mich jedes Jahr mit herrlichen Blüten. Nur stehen sie nicht vor unserem Haus , so dass sich nur die Gartennachbarn mit mir an der Herrlichkeit freuen können.

Übrigens habe ich auch ein Fable für blühende Disteln aller Arten.
Oft als Unkraut verkannt, aber wunderschön.

Aber nicht nur den stacheligen Pflanzen gehörte meine Zuneigung.



Ich erinnere mich genau daran, dass Großmutter mir verriet, dass in unserem Garten ein Igelnest wäre. Na das war doch etwas! Ich war noch ein Kind und stillsitzen war nun wahrlich nicht mein Ding. Aber hier war das was ganz Anderes!

Ich nahm mir einen Stuhl mit raus und setzte mich stundenlang still hin , um die Igelin und ihre Jungen zu sehen.. Ich sah sie nicht. Heute weiß ich warum – es sind dämmerungs-u nachtaktive Tiere.

Großmutter machte natürlich genau das, wovon wir heute wissen, dass es für Igel lebensgefährlich ist, sie stellte Milch für sie raus, die natürlich auch immer verschwunden war.

Wie schwer damit die Tiere geschädigt, ja sogar getötet wurden, wusste man nicht, Und diese Mär hielt sich noch lange, ja sogar bis heute, wo ich selbst fast eine alte Frau bin in der Bevölkerung – Igeln Milch anbieten. Solche Fehlinformationen sind so schwer auszurotten.

Ich liebte Igel, wie ich Tiere allgemein liebe.

Meine Mutter und Großmutter mussten immer mit sehr wenig Geld auskommen und so gab es außer der Tageszeitung keine Illustrierten im Haus.

Aber wo ich sie erwischen konnte, diese große Programmzeitung, die es heute noch gibt, habe ich sie verschlungen – diese ersten Komikgeschichten über Micki und Mecki das nette verschmitzte Igel-Ehepaar mit seinen Kindern.

Irgendwann einmal fand Oma einen Igel und brachte ihn mit heim. Ich war begeistert, er wirkte so zahm. Ich machte ihm ein Körbchen mit Laub und legte ihn hinein, bot ihm Milch an. Wir wußten es ja nicht besser. Der Igel hatte Durchfall ,nahm von der Milch auch nichts mehr an. ich machte ihn sauber, irgendwann in der Nacht ist er gestorben und ich war soooooooooo traurig, Warum nur?

Heute weiß ich, dass der Igel schon sehr krank war, als ich ihn bekam und dass er nicht nur ein Plätzchen und ein Futterangebot brauchte, sondern tierärztliche Hilfe. Daran war früher gar nicht zu denken und wir wussten es wirklich nicht besser.

Einmal habe ich mich mit größeren Jungen fürchterlich geprügelt, weil sie mit einem Igel Fußball spielten. Ich nahm das arme Tier mit heim, machte ihm ein Lager und versuchte ihn zum Fressen zu animieren – es war nicht erfolgreich – auch dieser Igel starb und wieder war ich so traurig, Wie gern hätte ich ihm geholfen.

Lange Jahre habe ich keinen lebenden Igel mehr zu Gesicht bekommen.

Längst war ich verheiratet, Mutter mehrerer Kinder und im eigenen Haus wohnend, als eine Bekannte mir erzählte , dass in ihrem Garten regelmäßig eine Igelin mit Jungen herumspazierte. Das wollte ich sehen, aber ehe ich hinkam, fand sich nur noch ein Junges.

Sie brachte es mir, Ich machte ihm im Garten einen schönen Unterschlupf und inzwischen wusste ich ja, dass Igel keine Milch bekommen dürfen, also stellte ich einige Leckereien hin, fertiges Igelfutter, gekochtes Huhn, Rührei – der Igel nahm nichts an, er lief auch nicht weg, er starb einfach. Wieder hatte ich einfach Krankheitsanzeichen nicht erkannt..



Als auf dem Hof, wo unsere Tochter Reitunterricht hatte, ein Igel gefunden wurde, erkannte ich besser, dass dieser so schlaffe Igel krank war und suchte umgehend eine Tierärztin auf.

Was sie dem Tier spritzte weiß ich nicht mehr, aber es ging im gleich viel besser und ich hatte Hoffnung, dies Tier endlich mal am Leben erhalten zu können. Wie groß war die Enttäuschung, als auch dies Tier am nächsten Morgen sterbend in seinem Kistchen lag.

Aber diesmal hatte ich doch eine Tierärztin bemüht, also musste ich mir doch selbst nicht mehr so große Vorwürfe machen.

Wieder vergingen Jahre, ohne dass ich einen lebenden Igel gesehen oder gefunden hätte.

Unser Jüngster kam verspätet von seinem Judo heim und brachte ein Iltisjunges mit, dass an seiner sterbenden, wohl überfahrenen Mutter noch zu saugen versuchte.

Wir haben es tatsächlich geschafft, dies Tierchen großzuziehen und erfolgreich auf die Freiheit vorzubereiten und auch auszuwildern.

Weil das so ein herrliches einmaliges Erlebnis war, haben wir es in vielen Bildern festgehalten und die habe ich stolz auch Bekannten gezeigt.

Eine dieser Frauen sagte zu mir:,, Ach sei nicht traurig, dass der kleine Iltis fort ist, ich ziehe jedes Jahr Igel auf ich bringe dir mal einen.!“

Wenig begeistert nahm ich das Angebot an, denn meine früheren Negativerfahrungen mit Igeln hatte ich noch fest in meiner Erinnerung und wollte so was eigentlich nicht mehr erleben.

Nun, an einem der nächsten Tage schellte es und diese Bekannte stand mit 4 Kästchen mit Igeln vor der Tür.

Sie gab mir einige wenige Informationen zu Unterkunft und Fütterung und wer die Igel gegen Parasiten behandelt und weg war sie und ich stand da - - - - - - -

Tja, also habe ich erst mal die Unterkünfte geschaffen, Futter beschafft und die junge Frau, die die Igel entwurmt und behandelt, angerufen, um mich besser zu informieren.

Sie war entsetzt über das Verfahren meiner Bekannten, half mir aber weiter.

Später fragte sie mich immer wieder, ob ich als Pflegestelle für sie Igel überwintern würde, denn die ersten 4 haben bei mir tatsächlich überlebt.

Einige Jahre war ich Pflegestelle und die Anzahl der Pfleglinge hatte sich längst nicht nur verdoppelt, eher verdreifacht.

Dann ging diese junge Frau aus beruflichen Gründen weg und sie bat mich, ihre Arbeit doch bitte weiter zu machen.

Da stand ich nun – die Notwendigkeit der Arbeit war mir klar. Einige Dinge wusste und konnte ich inzwischen ja auch , aber wie viel zu wenig es war, das wurde mit mir jedem Igel klarer.

Zufällig fand ich einen Hinweis auf eine Veranstaltung in der Volkshochschule, wo ein Herr Ubber aus Wipperfürth einen Vortrag über Igelhilfe hielt.

Scheibenkleister! Ich kam aus zeitlichen Gründen nicht hin, bekam aber von der Vhs. Eine Anlaufadresse genannt und ich nahm zu Herrn Ubber Kontakt auf.

Es war wie eine Erleuchtung. Der Mann hatte ein Wissen und konnte es so toll weitergeben, Er lud mich ein, mir alles anzuschaun und er half mir mit Rat und Tag , wo immer es ging.

Es war in den 70iger Jahren, , wo Prof. Grzymek, der Direktor des Zoos in Frankfurt regelmäßig mit seiner Sendung über Tiere eine unglaubliche Zuschauerresonanz hatte.

Er rief aus gutem Grund zum Igelschutz auf. War es doch die Zeit, in der wir alle fürchterlich fortschrittsgläubig waren, alle sogenannten Unkräuter vernichteten und mit dem Einsatz von Chemie für alle Zwecke nicht sparten.

So wurden die Futtertiere der Igel vernichtet und deren Futterpflanzen. Der wilde Bauboom zersiedelte die Landschaft und der Verkehr nahm zu. Die Gebietsreform war in vollem Gange und die Felder wurden zu größeren Einheiten zusammen gelegt, maschinenfreundlich zu bearbeiten, aber für die Tiere, bes. für die bodenlebenden Tiere eine Katastrophe. Nahrungsvielfalt und Unterschlüpfe verschwanden. Der Igel, wollte er überhaupt überleben, musste zum Kulturfolger werden mit allen Konsequenzen auch der, dort häufiger gefunden zu werden., sich zu verletzen und zu erkranken.

Leider vergaß der gute Professor genau zu erklären, wie sinnvoller Igelschutz aussehen muß.

So setzten wilde Sammelaktionen ein und es wurden viele Igel in guter Absicht aber noch immer mit mangelnder Sachkenntnis totgepflegt. Da der Igel nicht zu den Nahrungstieren und auch nicht zum jagbaren Wild gehörte, wurde seine Erforschung vernachlässigt.

Nur wenige Hinweise auf vernünftige Igelhilfe, aber auch auf Erkrankungen und deren Behandlung und auf Ernährung gab es. Ein Pionier auf dem Gebiet und ein großer Igelliebhaber war Dr. Walter Poduschka. Sein Igelbrevier – ein Heftchen mit wenigen Seiten war unter Igelleuten der Renner.!

Noch heute lernen angehende Tierärzte so gut wie nichts über Igel, (nur im Fach Parasitologie) obwohl der Igel das am häufigsten in der Tierarztpraxis vorgestellte Wildtier ist.

Igelstationen schossen wie Pilze aus dem Boden, Jeder, der wollte, konnte sich Station nennen, Die Adressen , da ist ne Frau , da kannste den hinbringen – waren schnell unter der Hand bekannt und es waren hauptsächlich Frauen, die sich der Aufgabe widmeten.

Auch heute ist der Begriff Igelstation noch nicht geschützt und er sagt nichts über die Qualität der Igelversorgung dort aus.

Zunehmend merkten die inzwischen überrannten und überlaufenen Igelstationen, dass mit ihrer Hilfsbereitschaft erhebliche Kosten verbunden waren und sie wandten sich hilfesuchend an Tier-u. Naturschutzverbände, aber auch an Kommunen, die zunächst noch gern bereit waren, Hilfe zu leisten, aber auch bald an ihre Grenzen kamen.

So wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben und auch bezahlt, dass diesem ausufernden Igelthema etwas entgegen setzen sollte.

Und –wer die Musik bestellt und bezahlt bekommt auch das Lied gespielt, dass er wünscht.

Das Gutachten eines Diplom-Forstwirtes fiel entsprechend aus.

Kurz und lapidar zusammengefasst hieß das Ergebnis – Wir brauchen keine Igelhilfe, der Igel ist in seiner Art nicht gefährdet.

Auf diesen Zug sprangen alle Tierschutz-u. Naturschutzvereine natürlich gern auf, legitimierte doch dieses Gutachten sie, auf Hilfsgesuche –NEIN zu sagen.



Wer das Gutachten, wie Herr Ubber und ich mal wirklich gelesen hat, die Untersuchungsmethoden erfasst hat, über die Auswilderungsmethoden gelesen hat, konnte nur den Kopf schütteln, Wie konnte man so das Kind mit dem Bade ausschütten?

Wahre Igelschützer haben sich davon nicht abhalten lassen, weiter ihre Arbeit zum Wohle der von unserer Zivilisation so bedrängten Stacheltiere nach besten Kräften und bestem Wissen weiter zu führen.

So gründete ich mit einigen Leuten und Herrn Ubber als Hauptinitiator und Vorreiter die Rheinisch –Westfälischen Igelfreund, die es leider nicht mehr gibt..

Herrn Ubbers Einsatz , fachlich, zeitlich und finanziell muß man einfach dankend hervorheben, wenngleich auch die Vereinsführung irgendwann eine Form annahm, die zu einer Trennung von diesem Verein führte.

Die Vereinigung, die ihm längst vorschwebte – ein Zusammenschluß von Igelleuten bundesweit – kam unter seiner Federführung nicht zustande.

Erst viel später fanden sich Menschen mit Liebe und Sachverstand zusammen, die den Verein Pro-Igel gründeten, der heute die Position eines Dachverbandes einnimmt und der maßgeblich für sachlich richtige umfassende Informationen, Forschung und adressatengerechte Aufbereitung und Verbreitung der Ergebnisse zum Wohle des Igels steht.



Viele Jahre (mehr als 40 ) schon führe ich inzwischen eine Igelstation. Der Zulauf im Herbst ist immer noch fast nicht zu bewältigen.

Noch immer hat die Faszination dieser Stacheltiere nicht nachgelassen.

Noch immer bewegen mich Fragen – wie kann man es noch besser machen, Was habe ich versäumt, nicht beachten, habe ich wirklich zum Wohl des Igels gehandelt?



Wie gut, dass es inzwischen leicht ist, zu kommunizieren per Telefon oder über das Internet

Wie viele engagierte Leute durfte ich inzwischen kennenlernen. Sie helfen und informieren mich, ich darf Wissen und Können weitergeben. Die Veranstaltungen von Pro Igel sind immer wieder ein Schubs nach vorn.

In jedem Jahr stellen sich neue Igelprobleme . Immer noch ist das Lernen nicht zuenden, aber auch nicht die Igelprobleme

Was wir in den Stationen machen, ist ja kein Artenschutz.

Wir geben unter unserer Lebensweise leidenden, verletzten oder verwaisten Individuen eine Chance zum Weiterleben, eine Chance ihren Auftrag an das Leben , die Art zu erhalten, wahrnehmen zu können

Wir nehmen ihnen noch immer den Lebensraum, die Nahrungsvielfalt wir gefährden sie auf so mannigfaltige Art und Weise, gedankenlos mitleidslos.

Wenn ein solches notleidendes Tier gefunden wird, haben wir einfach die ethische Verpflichtung, diesem Tier sachkundig und ernsthaft zu helfen – Und es ist unsere Verpflichtung, unser Wissen im Interesse der Tiere zu verbreiten.

Unter der Gedankenlosigkeit, Interesselosigkeit, Mangel-u. Fehlinformation der Menschen leiden noch immer viel zu viele Tiere – bes. die Igel, denen seit so vielen Jahren mein Herz gehört.

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© Karin Oehl

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