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Serbien

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Diese Reise habe ich im dritten Anlauf gebucht. 2020 und 2021 lag Europa in den Klauen des Covid19- Virus. Der Balkan war Hochrisikogebiet, die Reise wurde immer wieder verschoben. Diesmal soll es klappen. Der Virus ist immer noch da, sogar mit der gefährlicheren Omikron- Variante, aber der Großteil der Bevölkerung ist inzwischen geimpft, einige wenige sind geboostert - so wie ich, sogar doppelt.

Der Focus des Weltinteresses hat sich seit dem Putinschen Überfall auf das russische "Brudervolk" Ukraine weiter nach Osten verlagert. Doch auch auf dem Balkan brodelt es.

Die beiden Balkanstaaten Serbien und Bosnien-Herzegowina sind ehemalige Republiken von Titos Jugoslawien, das sich aus den sieben Teilrepubliken Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Serbien, Kosovo, Montenegro und Nordmazedonien zusammensetzte. Jugoslawien gehörte trotz seines sozialistischen Regierungssystems nie zur Sowjetunion.

Nach der Katastrophe der 90er Jahren hat sich der Westbalkan neu sortiert. Vor fast 13 Jahren haben Serbien, Montenegro und Nordmazedonien ihre Kandidatur für einen Beitritt zur EU erklärt. Bisher ist aber außer dem "Muster- Beitrittsland" Slowenien nur Kroatien Mitglied der Europäischen Union geworden. Bosnien ist seit den Kriegsjahren faktisch geteilt und gilt als "potenzieller Beitrittskandidat". Das Friedensabkommen von Dayton hat die ethnische Spaltung Bosniens nur eingefroren, nicht aber gelöst. Insgesamt schwelen viele Konflikte aus den 90er- Jahren (und länger zurück) weiter, ein Funke kann genügen um mitten in Europa einen neuen Krieg zu entfachen. Die Konflikte haben ihren Ursprung insbesondere in den verschiedenen Religionszugehörigkeiten, Serbisch-Orthodoxe vs. Katholiken vs. Muslims. Und es gibt einen zündelnden Genossen, nämlich Putins Russland, das in allen kriselnden ehemaligen Sowjetstaaten sowie sozialistischen Staaten wie Ex-Jugoslawien die Eskalierung von Konflikten schürt.

Serbien war nach den Balkankriegen weitgehend isoliert. Das Land war lange Zeit die bestimmende Nation auf dem Balkan und beherrschte Anfang des 20. Jh. das Königreich Jugoslawien wie auch danach die Sozialistische Republik Jugoslawien des Partisanenchefs Josip Broz, von seiner Mutter "Tito" genannt. Nach den Unabhängigkeitserklärungen Montenegros und des Kosovo ist Serbien jetzt nur noch ein Rumpfland. Serbien weigert sich, die Autonomie des mehrheitlich von albanischen Muslims bewohnten Kosovo anzuerkennen. Nur 115 der 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen (einschl. Deutschland) erkennen die Republik Kosovo als unabhängigen Staat an.

Die EU-Staaten haben erklärt, dass man weitere Unterstützung für den Westbalkan von spürbaren Fortschritten in der Rechtsstaatlichkeit und von der Einhaltung von EU-Werten abhängig mache. Doch man bietet den Balkanstaaten keine Perspektiven an, also keinen zeitlichen Horizont, innerhalb dessen man bei Bereinigung der nicht konformen EU-Werte eine Aufnahme in Aussicht stellen kann. Korruption und andere Kriminalität sind ein Riesenproblem der Region. Die organisierte Kriminalität gilt in Serbien als besonders mächtig - und der Staat soll seit Milošević, dem verurteilten "Schlächter des Balkans", mit diesen Kriminellen kooperieren, so liest man.

Ein weiteres Problem ist das erklärte Einverständnis, die Ukraine und Moldawien bei Erfüllung der Beitrittskriterien in die EU aufzunehmen. Wie reagieren die Westbalkan- Staaten, wenn dies vor ihrer eigenen Aufnahme erfolgt?

Serbiens Staatspräsident, Aleksander Vucic, ist ein Spezi und Freund von Wladimir Putin. Er hetzt seit Jahren gegen die EU. Dabei gibt es eine gewisse Unvereinbarkeit, Serbien ist weitgehend abhängig von russischem Gas und Öl, andererseits aber NATO-Partner und EU-Beitrittskandidat.


Tag 1 - Sa 17.09.2022: Anreise - Belgrad - Novi Sad


Vormittags fliege ich mit Lufthansa von Frankfurt nach Belgrad.

Der Schokoladenregen

Zu frühes Aufstehen und zu wenig Nachtruhe verursacht Müdigkeit am Tag. So auch während des Fluges. Ich bin auf meinem Gangplatz eingenickt, mein Nebenmann ebenfalls. Die Flugbegleiterin verteilt kleine Schokoladentäfelchen und fragt auch die Dame am Fenster. Sie bejaht die Frage und bekommt das Tablet rübergereicht damit sie sich bedienen kann. Dabei berührt mich die Stewardess versehentlich mit dem Tablet wodurch ich aufschrecke - und ihr unwillkürlich das Tablet aus der Hand schlage. Ergebnis: Ein Schokoladenregen in unserer Sitzreihe... Kamelle de Prinz kütt!

Diese Gruppen- Reise habe ich bei Ikarus Tours gebucht. Am Airport Nikola Tesla begrüßt uns unsere Reiseleiterin für die nächsten 12 Tage, Frau Bogdanka Ilic, die uns mit ihrem kunsthistorischen Fachwissen und ihrem Humor begeistern wird. "Ihr dürft mich Bogi nennen."

 

 

Sie haben richtig vermutet, der geniale serbische Ingenieur und Erfinder Nikola Tesla, verstorben im Januar 1943, ist nicht nur der Namensgeber des Airports, sondern auch von Tesla Inc., dem kalifornischen Hersteller von Elektroautos. Nikola Tesla veränderte die Welt mit zahlreichen Entdeckungen zur Elektrizität. Geradezu legendär wurde er durch die Erfindung der Strahlenkanone. Und doch hätte man diesen Visionär fast vergessen, wenn nicht Elon Musk... Aber das ist eine andere Geschichte.

Bojidar, unser Busfahrer, bringt uns vom Airport nach Novi Sad, wo wir im Hotel Novi Sad einchecken. Unsere Reisegruppe besteht aus 13 Teilnehmern - eine sehr heterogene Truppe, die aber gut harmoniert.
 

Am Nachmittag folgt die Stadtbesichtigung von Novi Sad, dem "serbischen Athen". Ich mag diese Analogien überhaupt nicht. Wenn man sich vorstellt, wie häufig von x- beliebigen Orten auf der Welt gesagt wird, man würde sie auch das "Venedig des ..." nennen. Das ähnelt der verdächtig oft bemühten Legende, ein bestimmter Ort sei auf sieben Hügeln gegründet worden. So werden viele Städte mit Rom verglichen, das wohl das Hügel- Original für sich beansprucht: Jerusalem, Istanbul, Lissabon, San Francisco, ja sogar Bamberg - um nur einige zu nennen.

Aber zurück nach Novi Sad, der Hauptstadt der serbischen Region Vojvodina, die im Norden des Landes an der Grenze zu Ungarn und Rumänien liegt. 26 Nationen und ethnische Gruppen leben hier in Novi Sad seit Jahrhunderten zusammen - einmalig in Europa. Dieser Reichtum an Kulturen ist auch in der Architektur der Stadt sichtbar. Es regnet. Wir schlendern über die Fußgängerzone Zmai Jovina, besichtigen die katholische Kirche Maria Namen, auch "die Kathedrale" genannt, den Dunavski Park (Donau-Park) und die orthodoxe St. Georgs- Domkirche. Novi Sad, das "Tor zum Balkan", ist durch die lange Zugehörigkeit zu Österreich-Ungarn eher europäisch geprägt.

 Ich versorge mich am Geldautomaten erst einmal mit Noten der einheimischen Währung, dem serbischen Dinar (1 EUR = 117 RSD /Dinar). Wichtig: Am Automaten nicht "Umrechnen in EUR" bestätigen, das kostet unnötige Gebühren!

In einem traditionellen Restaurant gibt es ein Begrüßungsdinner, als Vorspeise eine Fleischbrühe mit Grießknödeln, danach einen Schopska-Salat (Bauernsalat) und als Hauptgericht ein voyvodinisches Gericht, Hühnchenstücke in einer leicht süßlichen Sauce mit Backpflaumen auf Polenta. Den Abschluss bildet als Dessert eine Art Apfelkuchen ohne Boden...

Helmut verteilt eine Übersicht allgemeiner Vokabeln und Redewendungen "Deutsch - Serbokroatisch" und schlägt vor, dass wir uns während der Reise duzen. Eine förmliche Ansprache mit Titel und Nachnamen kenne ich aber auch von vorherigen Gruppenreisen nicht...

Serbien ist kein klassisches Reiseziel für Touristen. Deshalb werden die besuchten Restaurants überwiegend von Einheimischen besucht. Und die lassen sich die nicht bewältigten Fleischportionen zum Mitnehmen für zuhause einpacken. Eine Sterneküche oder Haute Cuisine gibt es auf dem Balkan offenbar gar nicht, jedenfalls habe ich nicht ein einziges Indiz dafür festgestellt. Allerdings muss ich zugeben, dass bei uns im Ruhrgebiet auch nicht jeder zehnten Pommesbude 2 Sterne im Guide Michelin verliehen wurden...

Was uns schon am ersten Abend auffällt: Die Preise für Essen und Trinken sind in Serbien für uns Mitteleuropäer nur halb so hoch wie zuhause. Und das trotz extremer Inflationsrate... Berücksichtigt man jedoch das durchschnittliche Monatseinkommen von 600 €, ist das Preisniveau für die hiesige Bevölkerung sehr hoch.


Tag 2 - So 18.09.2022: Sremski Karlovvci - Fruska Gora - Belgrad

Vor kurzem habe ich als Wiederholung einen Fernsehfilm mit Christoph Maria Herbst gesehen, "Der Vorname". Sein Film- Schwager will dessen noch nicht geborenen Sohn Adolf nennen (eine Provokation). Und genau von dem habe ich letzte Nacht geträumt. Horrorszenarien von Kriegsverbrechen der Wehrmacht und der SS, begangen auf dem Balkan, und ein Durcheinander von "Der Untergang" und "Er ist wieder da" hat mir den Schlaf geraubt. Schweißgebadet und mit einem Puls, der jenseits von Gut und Böse liegt, wache ich auf - und bin wieder zurück in der Gegenwart...

Dann geht es weiter nach Sremski Karlovci, eine kleine Barockstadt an der Donau, die durch zahlreiche Kirchen geprägt ist. Wir besuchen eine orthodoxe Kirche, ein Priesterseminar, den Patriarchenhof und das örtliche Gymnasium.
Es folgt ein Spaziergang durch den Ort sowie eine Wein- und Honigverkostung in einem der familiengeführten Weinkeller der Region, die für den an den Hängen der Fruška Gora gereiften Wein bekannt sind. Die Weinprobe wird von den Gutseignern ziemlich lieblos veranstaltet, denn das Weingut schleust hier im Halbstundentakt zahlreiche Besuchergruppen durch. Massenabfertigung!
 

Von allen Weinen der Region ist der Bermet der außergewöhnlichste. Dieser Dessertwein hat wirklich ein exquisites Aroma, das von Kräutern, Gewürzen und Trockenfrüchten stammt, die dem Wein hinzugefügt werden. Maria Theresia war eine der größten Fans dieses Getränks und stellte die Männer des Ortes vom Militärdienst frei damit sie sich dem Weinbau widmen konnten. Der Bermet wurde auch auf der Titanic serviert. Also Obacht für die Gruppe!

Leicht alkoholisiert werden wir weitergefahren in die Fruška Gora, ein Mittelgebirge wo sich sechzehn orthodoxe Klöster befinden. Deshalb wird die Fruška Gora auch Heiliger Berg der Serben genannt. Wir besuchen das Kloster Krušedol, mit wunderbaren Fresken aus dem 16. Jhd., das wichtigste Kloster im Norden Serbiens.

In einem nahen Dorf erwartet uns in einer typischen Salas, einem Bauernhof, unser Abendessen mit Spezialitäten aus der Vojvodina. Einheimische Musikanten begleiten das Essen mit Tambourine-Musik.

Danach geht es weiter nach Belgrad ins Hotel Jump Inn, unser Hotel für die nächsten zwei Nächte. Glücklicherweise wiederholt sich heute Nacht mein Alptraum nicht. Ich schlafe den Schlaf der Gerechten.

 

Tag 3 - Mo 19.09.2022: Belgrad


Ein ganzer Tag in Belgrad, der "weißen Stadt", steht bevor. Das "Tor zum Balkan" war lange unter osmanischer Herrschaft. Heute hat die Stadt 1,4 Mio Einwohner. Jeder 4. Serbe wohnt hier. 85 % der Serben sind orthodoxe Christen.

Während des Balkankrieges bombardierte die NATO die Hauptstadt. Dabei wurde auch die chinesische Botschaft schwer getroffen. An ihrem Platz haben die Chinesen jetzt das größte chinesische Kulturzentrum Europas gebaut. Serbien ist für China ein wichtiges Einfallstor in die Europäische Wirtschaft geworden. Es werden weder Kosten noch Mühen gescheut um die Infrastruktur zu vereinnahmen. Das milliardenschwere Projekt "Neue Seidenstraße" ist keinesfalls so märchenhaft wie der Name suggeriert. Vielmehr scheint es das Ziel chinesischer Außenpolitik zu sein, Länder mit Infrastrukturproblemen mit milliardenschweren Darlehn in die Schuldenfalle zu treiben und politisch zu konditionieren (Nils Klawitter in "Die Chinafalle", DER SPIEGEL Nr. 35 v. 27.08.22). Belgrad wird immer mehr zur "roten Stadt".

Unternehmen der Konsum- und Schwerindustrie, Bergwerke, die Infrastruktur, Häfen, Energie-und Datenleitungen und vieles mehr wurde bereits von den Chinesen übernommen. Die Produktion läuft ohne jegliche Umweltauflagen - sehr zu Lasten der Bevölkerung, die andererseits für die wieder geschaffenen Arbeitsplätze dankbar ist. Ein unlösbar scheinendes Dilemma...

China hat bereits die internationalen Lieferketten und Schlüsselindustrien vieler Länder okkupiert und damit die wirtschaftliche Weltmacht übernommen. Das Riesenreich ist durch die Hintertür mächtiger geworden als die USA oder Russland. Die deutsche Wirtschaft ist inzwischen weitaus abhängiger von China als von Russland. Wohin eine solche Abhängigkeit führen kann, zeigt aktuell das Gas- Embargo Russlands. Nicht auszudenken was passiert, wenn Chinas Wirtschaft in eine schwere Rezession gerät...

Aber zurück nach Belgrad. Zunächst machen wir einen obligatorischen Stadtrundgang im Zentrum durch die Fußgängerstraße Knez Mihailova bis zum Republik-Platz mit Nationalmuseum und Theater. Weiter geht es zur alten Festung Kalemegdan, hoch über dem Zusammenfluss von Save und Donau mit wunderbarem Ausblick.

 Mit dem Bus fahren wir vorbei am Terazije-Platz, Parlament und Stadthalle bis zur riesigen Kathedrale des Hl. Sava, der größten Orthodoxen

 Kirche auf dem Balkan. Sie wurde erst vor wenigen Jahren im Detail fertiggestellt. Besonders beeindruckend ist die Kuppel, deren Deckenmosaik komplett vergoldet wurde. Es zeigt in seiner Mitte den Erlöser Jesus Christus.

Der Heilige Sava ist der Begründer und erste Patriarch der serbisch-orthodoxen Kirche und wird von dieser wie ein Apostel verehrt. Er ist zudem ein Heiliger der römisch-katholischen Kirche.

orthodoxes KreuzKennen Sie die Symbolik des orthodoxen Kreuzes mit seinen drei waagerechten Balken? Der oberste, kleine Balken ist das Titulus-Brett. Bei der Kreuzigung von Jesus trug es die Inschrift "INRI". Der mittlere, längere Kreuzarm war zur Befestigung der Arme eines Gekreuzigten vorgesehen und der untere, schräggestellte Kreuzarm stellt das stützende Fußbrett dar. Es verläuft aus der Perspektive des Betrachters von links oben nach rechts unten und symbolisiert den Aufstieg zum "Himmel" und den Abstieg in die "Hölle".

 

 Der vorgesehene Besuch im "Haus der Blumen" fällt aus, wir müssen uns auf eine Außenbesichtigung beschränken. Es handelt sich um das Mausoleum des ehemaligen Partisanen-führers und Staatspräsidenten der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien, Josip Broz Tito, der 1980 verstarb und bis heute von der Bevölkerung Ex- Jugoslawiens in hohem Andenken gehalten wird. Wie bereits erwähnt, "Tito" wurde der kleine Josip von seiner Mutter genannt, es ist also kein Ehrentitel des ehem. Staatspräsidenten. Seine Vita ist sehr undurchsichtig.

Wir fahren vorbei am baufällig wirkenden Fussballstadion von Partizan Belgrad. Der Verein wurde nach Ende des 2. Welt-krieges von Offizieren der jugoslawischen Armee gegründet und erhielt seinen Namen zu Ehren der jugoslawischen Partisanen, zu denen die Gründer zuvor gehörten. Partizan Belgrad und Roter Stern Belgrad sind die beliebtesten und erfolgreichsten Fussballclubs des Landes.

Belgrad ist Siedlungsschwerpunkt der Roma, die sich hier zahlreiche Barackensiedlungen gebaut haben. Mitten in Europa hausen hier im 21. Jh. Menschen in erbärmlichen Bretterhütten, ohne fließendes Wasser und ohne Toiletten. Viele Roma sind gefangen in einem Teufelskreis von Armut und Kriminalität. Sie haben keine Arbeit, von der sie leben können. Ihre Kinder betteln am Straßenrand um Almosen. Die Stadt Belgrad hat vergeblich zahlreiche Integrationsversuche unternommen. Für die Roma errichtete Neubauten wurden von ihnen bezogen und schon kurze Zeit später haben die neuen Bewohner Fenster, Türen und Heizkörper ausgebaut und auf dem Schwarzmarkt verkauft - erklärt uns Bogi. Es scheint ein Kampf gegen Windmühlen zu sein.

Größer könnte der Gegensatz nicht sein an der Donau: Belgrad by Night ist die Partystadt des Westbalkan. Ein Disco- Schiff hinter dem anderen liegt am Ufer der Donau. Hier geht die ganze Nacht über die Post ab. Die Mädchen sind sehr jung, viele der Männer könnten ihre Väter oder Großväter sein.

Serbien ist kein EU-Land. Das hat zur Folge, dass die Preise für Daten- Roaming und Ferngespräche sehr teuer sind. Also möglichst unterwegs nicht Google Maps benutzen, wenn man keine Überraschung auf der Handyrechnung erleben will. Alternative: örtliche SIM- Karte kaufen.

Zum Tagesabschluss gibt es wieder ein "traditionelles Abendessen" mit begleitenden Teufelsgeigern im Künstlerviertel Skardalija. Hier im ehemaligen Wohnviertel der Bohemiens befindet sich heute eine der Szenestraßen von Belgrad. Das Menue besteht wieder aus der offenbar obligatorischen Fleischsuppe, einem Krautsalat und als Hauptgericht einem versalzenen Cordon Bleu mit Champignon- Rahmsauce und Ofengemüse. Zum Dessert, na was wohl? Ein Stück Apfelstrudel.

Zurück im Hotel möchten Gerrit und ich noch einen Absacker zur Brust nehmen. Dazu verlassen wir das Jump Inn. In kurzer Entfernung befindet sich ein weiteres Hotel mit einer gemütlichen Kellerbar, wo wir das Gesuchte finden. Mitreisende haben uns vor dunklen Spelunken und düsteren Gestalten gewarnt. Wir haben nichts dergleichen angetroffen.


Tag 4 - Di 20.09.2022: Belgrad - Smederevo - Vimina iminacium

 

 

 

 

 

 

Dessen riesige Festung die letzte mittelalterliche Hauptstadt Serbiens war. Heute eine Ruine, ist sie immer noch eine der größten Festungen an der Donau.

Es geht weiter nach Viminacium, wo wir die Ruinen- und Gräberanlage der einstigen römischen Siedlung aus dem 1. Jh. besichtigen. Die Ausgrabungen, insbesondere die Thermen und der Friedhof werden mit riesigen, zeltähnlichen Hallen vor der Witterung geschützt.Die gesamte Anlage hat eine sehr große Ausdehnung. Die Ruinen wurden bei Arbeiten im Braunkohle- Tagebau entdeckt.

 Außer den römischen Ruinen fand man hier das Skelett eines urzeitlichen Mammuts, das in einer separaten Halle ausgestellt wird, direkt an seinem Fundort, alle anderen gefundenen Skelette befinden sich in Museen weit von ihren Fundorten entfernt.

In unmittelbarer Nähe bläst ein großes Kohlekraftwerk ungefiltert den Verbrennungsstaub in die Luft.

Nachmittags erreichen wir unser heutiges Hotel, das Danubia Park in Veliko Gradište am Silbersee.

 Ein vorgezogenes Abendessen gibt es in einem schönen Restaurant am See. Das Menü besteht aus einer leckeren Gemüsesuppe mit Rindfleisch und einer große Salatplatte mit Brot und Fleisch vom Grill.

Silberseen gibt es ja 'ne ganze Menge, auch bei uns, aber in welchem wurde der "Schatz" versenkt? Der Karl May- Film aus dem Jahre 1962 wurde jedenfalls an den wunderschönen Plitvicer Seen im Grenzgebiet Kroatiens zu Bosnien gedreht. Das würde heute wohl nicht mehr geschehen, jedenfalls nicht mit deutscher Beteiligung. Der Vorwurf der "kulturellen Aneignung", also der Übernahme von Ausdrucksformen aus einer anderen Kultur, stünde im Raum. Und schlimmer noch: der des Rassismus... Für mich ist diese Diskussion nicht nachvollziehbar und völlig überflüssig. Wo fängt man an, wo hört man auf? Ich habe die Winnetou- Filme mit Pierre Brice und Lex Barker geliebt. Es war die übersichtliche heile Welt, Gut und Böse im Indianerland - damals ein Märchenfilm für uns Kinder und Jugendliche.

Aber dieser Silbersee in Serbien ist gar kein See, sondern ein toter Donau- Arm. Der individuelle Rückweg vom Restaurant zum Hotel gestaltet sich für einige von uns, mich eingeschlossen, zum Geocaching. Erst nach einigen Irrwegen finden wir den Zugang zum Danubia Park Hotel, gerade noch rechtzeitig vor einem ergiebigen Regenguss.


Tag 5 - Mi 21.09.2022: Lepenski Vir - Eisernes Tor - Kladovo


Heute fahren wir weiter in Richtung des schönsten Teils der Donau. Zunächst ein Stop an der Festung Golubac (14. Jhd.), kürzlich komplett renoviert, am Eingang des "Eisernen Tores" gelegen, wo die Donau 6 km breit ist und zu Recht "Serbisches Meer" genannt wird. Gemeinsam mit Rumänien hat man in den 70er Jahren die Donau gezähmt - mit einem riesigen Staudamm- Projekt, dem sogenannten Eisernen Tor. In Höhe der Ortschaft Orsova wurde beim Anstauen auch die türkische Enklave Ada Kale unter dem Wasser begraben. Der Wasserspiegel stieg um 70 m. Die auf der Insel lebenden Menschen wurden nur mit einem kleinen symbolischen Betrag entschädigt.

Wir fahren zur Ausgrabungsstätte Lepinski Vir aus dem Mesolithikum, wo die älteste menschliche Besiedlung von 7.000 v. Chr. nachgewiesen wurde. Hier hat man hochinteressante Steinskulpturen gefunden. Vor der Besichtigung des großflächigen Modells der Anlage werden wir mittels einer kurzen filmischen Dokumentation über die Ausgrabungen unter der Leitung von Draogaslav Srejovices informiert.

Entlang der Donau geht es bis zur "Open Air Gallerie" am Djerdap-See, wo uns im Garten des Öko-Ethno-Komplexes "Kapetan Mišin breg" ein einfaches vlachisches Mittagessen erwartet. Die Familie des barfüßigen "Kettensägen- Künstlers" hat uns ein kleines Buffet vorbereitet. Auf dem Gelände findet sich eine Sammlung von Skulpturen aus Holz und Stein.

"Donaukapitän" Miša Anastasijević, der Anfang des 19. Jahrhunderts in der Nähe dieser Gegend geboren wurde, war der erste gewählte Präsident der Nationalversammlung Serbiens, ein großer Philanthrop und einer der reichsten Männer seiner Zeit.

Es folgt ein weiteres Reise-Highlight. Eine Bootsfahrt auf der Donau durch die engste Stelle des "Eisernen Tores", mit spektakulären Natureindrücken. Wir passieren die Tabula Traiana (Trajanstafel), eine dem römischen Kaiser Trajan gewidmete Inschrift. Sie wurde 100 n.Chr. anlässlich der Beendigung des Straßenbauabschnittes der römischen Straße von Golubac bis Kladovo unterhalb der Schlucht des Eisernen Tors direkt in den Felsen gemeißelt.

Die Donau- Taufe

Unser Boot ist ein kleiner Katamaran mit durchgehender Verbindung der beiden Rümpfe. Wir sitzen im Freien, für gelegentlichen Regen ist ein Persenning-System vorhanden, das schnell aufgebaut werden kann. Der Himmel hat sich bereits bedrohlich zugezogen und es beginnt zu regnen, besser gesagt zu schütten. Der Skipper baut schnell das Dachsystem auf. Dennoch erwischt es den einen oder die andere an den offenen Seite mit einem Regenguss. Mich soll es besonders treffen auf meinem vermeintlich sicheren Mittelplatz. Der Regen hat sich auf der Dachpersenning zu ordentlichen Mengen gestaut und sucht sich nun einen Weg, sich zu entsorgen. Der Weg endet über meinem Kopf und Kragen. Volltreffer! Und das wenige Minuten später auch noch ein zweites Mal. Herrliche Erfrischung..

Vorbei geht es an der Statue des Dakerkönigs Decebalus, eine 55 Meter hohe Statue und zugleich die höchste Felsskulptur in Europa, die aber erst 2004 fertiggestellt wurde. Die Idee stammt von dem rumänischen Geschäftsmann und Historiker Drăgan. Er ließ sich wohl vom Mount Rushmore National Memorial inspirieren. Die Statue befindet sich an einer Felsformation des Almăj-Gebirges am Donauufer bei der Ortschaft Dubova. Der letzte König der Daker, die unerbittlich, meist im Guerillakrieg, gegen die Römer kämpften, starb im Kampf gegen Kaiser Trajan durch Selbsttötung.

Am Abend erreichen wir das Hotel Aquastar Danube in Kladovo. Der kleine Hunger lässt Gerrit und mich nach einem geeigneten Verköstigungspunkt Ausschau halten. Den finden wir wieder mal im Restaurant des Nachbarhotels. Es wird fast ausschliesslich von Einheimischen besucht und ist voll besetzt. Mit Glück bekommen wir noch einen Tisch und lassen uns mit wohlschmeckender Mahlzeit bewirten.


Tag 6 - Do 22.09.2022: Zajecar ajecar - Felix Romuliana - Vnjackja Banja


Nach dem Frühstück brechen wir auf nach Negotin, wo uns in einem kleinen Dorf in der Umgebung eine Weinprobe in einem familiengeführten Weingut erwartet. Es ist das Vinarija Mikic- Weingut im Herzen von Negotins Kraijna. Der Inhaber und seine Eltern sprechen Deutsch, sie haben eine familiäre Verbindung nach Österreich. Wir bekommen eine Auswahl der produzierten Weine zur Verkostung angeboten. Mir munden die hochdekorierte Cuvee No 1 (Cabernet Sauvignon und Merlot) und der Traminer so gut, dass ich jeweils 6 Flaschen davon zum Versand per Spedition bestelle. Aber wie immer: zuhause angekommen schmeckt der Wein nur noch durchschnittlich.

Durch den frühen Weinkonsum wird die Gruppe um die Mittagszeit ein wenig schläfrig.

In Zaječar besuchen wir das Nationalmuseum, genehmigen uns einen Kaffee und besuchen dann Felix Romuliana. In dieser einstigen Residenz des römischen Imperators Galerius Maximinianus, einer der wichtigsten spätrömischen Stätten Europas (UNESCO-Kulturerbe), sehen wir die gut freigelegten Ruinen und Mosaike. Romuliana ist die bedeutendste archäologische Zone Serbiens. Und der Typ rechts ist nicht der alternde Indiana Jones, das bin ich...

Die heutige Tagesetappe mit dem Bus ist etwas länger, so dass wir in Krusevac einen weiteren Stopp einlegen und diesen mit dem Besuch der Lazarica Kirche verbinden.

Unser gutes Hotel Slatina liegt im bekannten Kurort Vrnjačka Banja.

Ich wundere mich fortwährend über die Bewertungspraxis der Hotelverbände auf dem Balkan und verstehe sie bis heute nicht. Da werden die letzten Herbergen genauso mit 4 Sternen ausgezeichnet wie wirklich gute Hotels. Sollte man sich die Sterne etwa kaufen können?


Tag 7 - Fr 23.09.2022: Kloster Zica - Sirogojno - Zlatibor Gebirge


Richtung Westserbien erwartet uns ein besonders schöner Teil des Landes. Am Kloster Žica (18. Jhd.), dem ersten serbischen  Bischofssitz, legen wir einen Halt ein.

Im Ethnodorf Sirogojno, einem Freilichtmuseum, gibt es ein Mittagessen. Wir sitzen sehr beengt auf kleinem Raum, die Qualität der angebotenen Speisen ist auf Hausmacher- Level, aber okay. Am Rande des Freilichtmuseums, in dem mehrere alte Bauernkotten aus der Umgebung neu aufgebaut wurden, verkaufen ältere Frauen selbstgestrickte Wollsachen. Insbesondere die Wollsocken haben es dem einen und anderen angetan. Sie werden zum eigenen Gebrauch oder als Mitbringsel für zuhause mitgenommen. Wir erwarten ja wegen Putins Gasembargo einen kühlen Winter 2022/23.

Im Zlatibor-Gebirge übernachten wir im Hotel Palisad, der schlechtesten Unterkunft auf der gesamten Rundreise. Mein Zimmer ist extrem klein, in einer integrierten Nasszelle sind auf 1,70 x 1,80 m Duschkabine, WC und Waschbecken untergebracht... Es handelt sich um ein großes Kongress- Hotel mit zahlreichen Zimmern aus den 70er Jahren, das wenig bis gar keine laufende Renovierung erfahren hat. Der Ort selbst ist eine Ansammlung hiesiger Unterhaltungsindustrie, ein bosnisches Disneyland, das auch jetzt - außerhalb der Saison - stark frequentiert wird, insbesondere von Familien mit kleinen Kindern. Wir fühlen uns hier völlig deplaziert. Eine Reisegruppe, bei der der Altersdurchschnitt über 70 Jahre liegt, sollte hier nicht untergebracht werden!


Tag 8 - Sa 24.09.2022: Mokra Gora - Visegrad - Sarajevo


Heute steht das Mokra Gora-Gebirge auf dem Programm. Auf uns wartet eine Fahrt mit der Museumsbahn
"Šarganska osmica"
(Sarganer Achter), einer schmalspurigen dampfgetriebenen Gebirgsbahn, die uns durch eine beeindruckende Landschaft mit wechselndem Höhenunterschied fährt. Der Name Sarganer Achter resultiert aus der Streckenführung, die sich teilwiese wie eine Acht die Berge rauf- und runterschraubt. Der Zug wird von einer Diesellok gezogen, früher war es eine Dampflok.

Der Sturzflug

Den Bahnhof erreicht man durch einen Tunnel. Und an dessen Ende übersehe ich eine abwärtsgehende Stufe, die nicht farblich abgesetzt ist. Ich falle unglücklich bäuchlings auf den Boden, prelle mir die Rippen und verletze mir das rechte Knie. Beides soll mich schmerzhaft auch während der nächsten Tage und Wochen daran erinnern, den Blick möglichst immer auf die Wegbeschaffenheit vor einem auszurichten. Evelyn hilft mir mit Ibuprofen 800 aus und Gerrit mit ärztlichen Ratschlägen. Nochmals Danke dafür!

Der für uns ausgewählte Abschnitt der Schmalspurbahn von Mokra Gora bis Šagran Vitasi ist wegen der zahlreichen Tunnel und Viadukte sehenswert, aber im Vergleich zu anderen Strecken nicht spektakulär.
 
Hier gehts weiter nach Bosnien- Herzegowina.
 


 
 
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