PRESSEMITTEILUNG / Deutsche Sprachwelt - 2. Der Falter

2. Der Falter

Von Linda Wilken

Der Falter

Eines Abends
im Dezember,
– es duftete schon nach Tannengrün –
als ich das Küchenfenster schloß,
sah ich einen Falter.
Er stemmte seine Flügel
mit all seiner Kraft
gegen das Fensterglas,
auf der Suche nach Licht
und Freiheit.
Er hatte blaue Punkte.

Was tat er hier?
Seine Zeit war abgelaufen.
Vorbei der Sommer,
die mit Surren und Düften
angefüllte Luft.
Mückentänze in der Dämmerung.

Er war ein übriggebliebener,
ein Eremit,
eine zu Fleisch gewordene Erinnerung,
die verzweifelt mit den Flügeln schlug.
Voller Entsetzen
über seine Einsamkeit.
So, als wüßte er:
Er gehörte nicht hierher.

Ich sah ihn an,
versuchte, mich ihm zu nähern.
Doch da schlüpfte er schon durchs Fenster,
das zerstreut zu schließen ich vergaß.

Ich beobachtete ihn
durch das milchige Glas,
wie er über den Schnee flatterte.
Ein zögerndes Zittern,
ein Entdecker der Winternacht,
der erste seiner Art.
Wie verwundert
über diese fremde Welt,
für die er nicht geschaffen war.

Ich verlor ihn aus den Augen,
legt mich schlafen
und träumte vom Sommer.

Am nächsten Morgen,
irgendwo
ein bunter Fleck
im weißen Schnee.
Nichts weiter.

Doch unermeßlich reich
im Wissen.

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