Erinnerungen

In unserer Tageszeitung erscheinen anlässlich des 1. Weltkriegsendes vor 100 Jahren große Artikel.

Es ist spannend zu lesen, denn von den späteren Generationen kann sich niemand mehr richtig vorstellen, was das so alles gelaufen ist, wie man im Krieg gelebt, gedarbt und gelitten hat.

Wir beklagen und heute über so viele Dinge und es gibt sicher immer etwas zu verbessern, keine Frage. Es ist auch richtig, sich zu engagieren, wenn ein Thema sehr berührt und fesselt, es wichtig erscheint.  Nur sollten wir nicht unbedingt wieder nach einer politischen Führung rufen, die scheinbar alles im Griff hatte, die wußte wo es lang ging und uns letztendlich in eine böse Katastrophe führte.

Ich bin ein Mensch, der am Waffenstillstandstag nach dem 2. Weltkrieg die ersten freien Schritte gemacht haben soll. Natürlich weiß ich es nur aus Erzählungen meiner Mutter und Oma.

Aber die Folgen des Krieges habe ich noch sehr gut in fragmentiler Erinnerung. So zum Beispiel, daß wir mit Lebensmittelkarten bestimmte rationierte Dinge nur einkaufen konnten.

Auch wir hätten gehungert, wäre meine Großmutter nicht so eine geniale Hausfrau gewesen, die einen kleinen Garten hatte, in dem sie Gemüse zog, wo eingeweckt wurde, wo es Obst für Gelees und Marmeladen gab und ich erinnere mich an das  Hamstern. Ich erinnere mich daran , bei einem Bauern Fallobst sammeln zu dürfen, was ich selbst dann ausgeschnitten und verarbeitet habe zu Apfelmus, Birnenkompott, Apfelsaft, Ich habe Holundersaft gemacht Wir haben Walderdbeeren gesammelt und Blaubeeren , Pilze, wenn die Zeit da war und wir haben

Bucheckern gesammelt, und daraus Öl machen lassen.

In unserem Hause gab es noch keine Waschmaschine. Es wurde nicht täglich die Wäsche gewechselt, Man trug Schürzen und in den Laden shoppen gehen gab es gar nicht.

Meine Großtante war Schneidermeisterin und war eine Künstlerin in aus Alt mach Neu. Leider verwendete sie Schnitte von Anno pief und so stach ich bald von den Mitschülern, die schon wirtschaftlich wieder mehr auf die Beine gekommen waren und sich neue Klamotten leisten konnten, ab. Ich habe bei meiner Oma noch gelernt Strümpfchen für meinen Bruder zu stricken und als alten Pullovern für den kleinen Bruder und mich neue Pullover zu kreieren.  Im Kaufladen wurde nur das gekauft, was wirklich nötig war, Zucker, Mehl, Salz, Brot, Milch . Es gab keine Plastikflut, alles kam aus großen Schubladen als Schüttware in Papiertüten und mit denen machte man dann morgens Feuer an. Es selten Butter, dafür aber   Margarine aufs Brot, Tomaten aus dem Garten, mal ein vom Nachbarn gefangener und gebratener Fisch kam auf den Tisch und Sonntags mal etwas Gehacktes als Hackbraten mit Sauce. Aufschnitt kannten wir so gut wie nicht.

Käse, ja den gab es mal. und eine Dose Fisch war dann schon die Krönung an Feiertagen.

Nachtisch gab es selbst eingekochtes Obst. Weil im Winter die Hühner nicht genügend Eier legten, wurden Eier in Wasserglas haltbar eingelegt, damit man was hatte für das Weihnachtsgebäck. Es wurde Sauerkraut eingelegt, es wurden Schnippelbohnen eingelegt,

Oma hatte Verwandte mit Bauernhof. Dorthin fuhren wir in der Erntezeit, Dann konnten die Frauen mit aufs Feld und Oma kochte, flickte, wusch und bekam dafür dann von ihnen einen Koffer voller Eier, luftgetrocknete Mettwurst und einen luftgetrockneten Schinken, oft eine Kanne frische Milch.  Da waren meine Ferientage herrlich, wo ich in die Ställe zu den Tieren durfte und in den Garten dort und an den Bach im Wald hinter dem Bauernhof, es waren herrliche Ferien,Und Kinder von den Bauern gab es da auch zum spielen, Spielzeug war rar, aber die Phantasie war groß. Wir haben nichts vermißt.

Sonntags kam im damals noch NWDR immer das Wunschkonzert und Oma, Mutter und ich saßen am Empfänger , hörten zu und stopften dabei Strümpfe.

Oh, Oma züchtete auch Kaninchen im Garten, da gab es an den Feiertagen durchaus mal Fleisch. Der Mist von den Kaninchen wurde untergearbeitet als Dünger auf dem Land und von uns Kindern der Nachttopfinhalt kam auch in eine große Tonne zusammen mit Regenwasser kam das wieder in die Erde.

Als Schüler waren wir im Herbst immer drauf aus, bei den Bauern angestellt zu werden zum Kartoffelsammeln, Hinter dem Roder her hatte jeder seinen Pant, nannten  wir es, seine Furchen  in denen er sehr schnell die aufgeworfenen Kartoffeln in einen Korb sammeln mußte, wir bekamen Sackschürzen um und rutschten auf den Knien über den Boden. War es ein guter Bauer, bekamen wir einen Korb Kartoffeln für zuhause mit und ein Abendbrot, bestehend aus Bratkartoffeln oder Pfannekuchen wenn es hoch kam ein Leberwurstbrot . Milch von den eigene nKühen und eine Satte Dickmilch, Da wurde einfach in Schälchen Milch sauer werden lassen. Drauf kam Zucker und Zimt – eine Köstlichkeit war das. Das kann man mit der heute pasteurisierten Milch gar nicht mehr machen. und  es gab zwischen 3 und 5 Mark an einem Nachmittag. Die meisten Kinder durften das Geld behalten und sparten es für die Kirmes, die am 3. Sonntag im Oktober in unserem Ort immer auf drei Plätzen tobte. Ich war so stolz, daß ich damit meiner Familie ihr Auskommen etwas erleichtern konnte, Als allein erziehende Mutter und einer Oma mit geringer Rente war das gar nicht so einfach. Kirmes –ja ich durfte einmal Karussell fahren und mit Mutter eine Bratwurst vom Grill essen, das war das Höchste und ein Höhepunkt der Kirmestage. Wenn dann die Kirmes abgebaut wurde, haben wir überall gesucht und wurden oft fündig, da lag mal ein Zehnerle ,da ein Pfennig, da ein Fünfer –Pfennige wohlgemerkt keine Mark . Den Euro gab es noch nicht.

Und wir heizten mit allem was kam, Kohlen, ja die wurden auch gekauft, aber Holz gingen wir im Wald sammeln, Was da so rumlag durften wir ja nehmen aber kein Förster durfte uns mit einer Säge oder Ast erwischen.

Da wurde nahe einer Kirche ein Kindergarten gebaut. Oma hatte etwas Pachtland von der Kirche nahe an der Kirche. Und der neue Kindergarten wurde mit Koks beheizt. Auf dem Weg zum Garten erkannten wir, daß der Hausmeister immer die Asche vom Kindergarten hinter das Haus warf und sich darin noch viele unverbrannte Koksreste befanden. Also ging es täglich , wenn der Hausmeister wieder aktiv war, hinter den Kindergarten und es wurden Koksreste gesucht, ein Eimer voll mindestens,  Das half die teuren Kohlen zu sparen.

wir haben miteinander viel gesungen und Geschichten erzählt, gespielt wurde bei uns nicht, aber Arbeit häufig in  ein Spiel verpackt

Diese Zeiten sind schon so lange vorbei, Unsere Kinder wollen die Geschichten nicht hören. Sie kennen so ein Leben nicht mehr. Und doch waren wir auch glücklich, es war viel Mitmenschlichkeit, Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung. Es war wärmer unter den Menschen als heute.

Heute gehen wir in den Laden und kaufen, was wir brauchen, was uns gefällt, das Angebot ist riesig und wir haben in der Regel ein Einkommen, das auskommen läßt.

Heute noch widerstrebt es mir, Lebensmittel wegzuwerfen. Natürlich, wenn sie verdorben sind, geht es nicht anders. aber wir kalkulieren so, daß wir abweschlungsreich kochen und essen können , von allem genug haben, aber keine Reste, die man wegwerfen muß. Was übrig ist, kann man gut einfrieren in der Regel und später verwerten.

Wir flicken und stopfen heute keine Kleidung mehr, wir gönnen uns gern mal was, was uns gefällt. Aber noch immer sind es Dinge, die ich wirklich auftrage. was kombinierbar ist, was nicht so schnell aus der MOde kommt und mein Mann ist manchmal so richtig stolz auf seine kleine Anna (so hieß meine Großmutter) Damit meint er mich und er weiß, wie viel ich von dieser Frau gelernt habe – haushalten, kochen, wiederverwerten, einteilen, sparsam umgehen mit Recourcen.

Und ein bißchen stolz bin ich schon darauf.

Was so Zeitungsartikel für Erinnerungen wecken – es ist so viel noch präsent, so unendlich viel. und der Schein der Vergangenheit vergoldet diese Erinnerungen , Nein, es war  nicht alles negativ, wir wurden mit den Gegebenheiten fertig und machten das Beste draus.  Die Frauen damals waren wirklich sehr sehr tüchtig auch ohne das Wort Emanzipation und ein Mann, der ein solches Goldstück hatte, ging pfleglich und partnerschaftlich damit um.

Probleme gab es häufig, wenn Heimkehrer zurück kamen, das Heft wieder in die Hand nehmen wollten, mit ihren Kriegserinnerungen nicht fertig wurde – niemand damals sprach von posttraumatischer  Belastungsstörung –Hilfen gab es nicht, Und es kam damals gehäuft zu Ehescheidungen, wenn Männer heim kamen und ihr Platz am Herd war längst neu besetzt und Kukukskinder vorhanden. Das waren Dramen –nicht selten .

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© Karin Oehl

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