Krankenstand

Krankenstand

Die Spritze hab ich seit zwei Minuten drin. Ich liege auf der linken Seite mit dem Gesicht zum Fenster, das von unten bis zur Hälfte aus einer Milchglasscheibe besteht.
"Geht’s dir eh gut?" fragt die Schwester aus der Ecke.
"Ganz prächtig, Baby". Sie ist eine Freundin von mir denn einer Fremden hätte ich meinen Arsch nicht so leicht anvertraut
"Gleich kommt der Doktor, dann geht’s los".
"Ihr könnt das wohl nicht noch rasch um eine Woche oder so verschieben?"
Sie lacht, während sie sich einen dünnen Gummihandschuh überzieht, den Mittelfinger salbt, der dann auch gleich in meinem Hinterteil verschwindet.
"Ich muss dich für den Doktor geschmeidig machen", meint sie, während ich die hässlichen Tauben auf dem Fenstersims der Ordination zähle. Sie gurren ganz fürchterlich, ab und zu flattert eine aufgeschreckt hoch, dann wieder hüpft eine auf die andere und sie ficken. Das wäre für mich jetzt auch besser!
Und während mir meine Schwester den Schlauch mit dem durchsichtigen Plastikendstück mindesten einen Viertelmeter tief in den Arsch hineintreibt, betritt der etwas gebrechlich aussehende Doktor die Szene.
"Wie fühlen wir uns, Herr Schida?" Und zur Schwester gedreht, "Haben wir das Valium gespritzt?"
"Ja, Herr Doktor".
"Ich fühl´ mich eigentlich nicht so ganz..."
"Ah, das werden wir gleich haben. Drehen sie sich jetzt auf den Rücken. Ich werde ihnen ein bisschen Luft in den Darm blasen".

Damit dreht er schon an einer kleinen Schraube, die mir bis jetzt völlig entgangen war.
"Scheiße, nicht so schnell, Doktor!"
"Sagen sie’s, wenn’s weh tut, dann kann ich ja eine Pause machen".
Er hat vor, mich zu killen, das steht fest. Meinen Bauch hat er schon wie einen Wetterballon schon aufgepumpt. Dann dreht er wieder an der Schraube, das blubbernde Pumpengeräusch verstummt, und mein Röntgen- und Radiologe verschwindet hinter einem Vorhang. Von dort aus bedient er sein Gerät.
Eine schwarze Halbkugel senkt sich auf meinen Bauch und drückt ihn leicht ein.
Hoffentlich hat der Bursche die Technik auch richtig im Griff. Von meiner Schwester ist auch nichts mehr zu sehen. Die könnte im Notfall also auch nicht mehr rettend eingreifen.
"Atmen, jetzt nicht mehr atmen, weiteratmen, tief einatmen,...." Man kennt diese Sprüche ja zur Genüge.
So findet er rechts ein entzündetes Dickdarmstück und eine Weile später noch ein paar kleine Ausstülpungen links unten.
Als mein Bauch nun wirklich fast schon explodiert, taucht meine Schwester endlich wieder auf und zieht das Ding aus meinem Arsch. Dann schickt sie mich
mit einem Packen Zellstoff zum zwei Schritte entfernten Scheißhaus. Die zwei Schritte kommen mir wie zwei Kilometer vor.
Dann sitze ich auf der Muschel und höre sie draußen reden - und sie mich drinnen explodieren.
Der Zellstoff färbt sich rot und weiß, ansonsten bleibt der Bauch eine aufgeblähte Kugel.
Ich ziehe mich an, gebe dem Doktor die Hand und einen Krankenschein, und er schreibt mich noch eine weitere Woche krank. Für die Tortour hätte ich mir eigentlich 6 Wochen verdient.
Den Taxler bereite ich auf der Heimfahrt auf eventuelle Explosionen im Fond seines Wagens vor.
"Wenn ich HALT schreie, fahren sie rechts ran. Aber nur wenn du eine Plakatwand, eine Baustelle oder ein Beisel an der Ecke siehst".
Er versteht mich nicht. Wahrscheinlich ist er Türke oder Jugo oder sonst was.
Auch egal.
Bis zur Nordbrücke geht alles gut. Ich sitze hochschwanger auf der Lederbank
des alten Mercedes und versuche vorsichtig einen fahren zu lassen.

Es geht nicht. Dabei glaube ich, jeden Moment zu platzen.
Kurz nach der Brücke klopfe ich meinem Chauffeur auf die Schulter, werfe 200 Schilling auf den Beifahrersitz, haste auf den Gehsteig und ins nächste Wirtshaus hinein.
Noch bevor ich bei der blonden Kellnerin mein Krügel ordern kann, sitze ich auf dem verdreckten WC der Bude. Und dann reichen zwei Rollen Klopapier nicht aus, um die Bescherung zu verwischen.

h. schida - www.schida.at/

 

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